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Welcome to the pit

Welcome to the Pit – Konzertfotografie

 

Kleine Räume, wenig Licht, Tinnitusgefahr, Schweißgeruch und Vollkontakt. Zugegeben, nicht unbedingt Attribute, denen ich als Fotograf sehnsüchtig hinterherrenne. Aber so oder so ähnlich muss man sich die Gegebenheiten auf einem Punkrock- oder Hardcorekonzert vorstellen. Für Außenstehende wirkt das Ganze wahrscheinlich schon recht martialisch und unkontrolliert. Und ganz ungefährlich ist es für Mensch und Maschine auch nicht immer. Also, warum tue ich mir das als Fotograf dann also an?

 

 

Ehrlich? Man muss das alles schon mögen oder, wie ich, sogar lieben. Als Grundvoraussetzung sollte man eine Faible für diese Musik haben, die Menschen dort und alle anderen Eigenheiten, die diese Subkultur mit sich bringt, mögen. Ich selbst mache ebenfalls Musik und bin mit und in dieser Szene aufgewachsen. Ohne Bezug dazu wird man wahrscheinlich einen langen Arbeitstag vor sich haben.

Aber was gefällt mir eigentlich an den Bildern, die ich auf solchen Shows schieße? Ich liebe die ungestellten und ehrlichen Emotionen auf den entstandenen Bildern. Diese Szene ist eine der ehrlicheren in der Musikbranche, auch wenn es schwarze Schafe gibt, wie überall. Doch die meisten Leute kommen zu den Konzerten so wie sie sind. Sie schlüpfen nicht in eine Rolle, sondern sind die Person die sie auch im Alltag sind.

 

Wenn ich bei solchen Konzerten Bilder mache, dann bin auch nicht auf der Suche nach aalglatten Modelltypen, die freundlich in die Kamera lächeln. Davon gibt es heutzutage meiner Meinung ohnehin schon viel zu viele. Nein, Spaß beiseite, ich möchte in meinen Bildern ehrliche Emotionen zeigen, von Menschen, die diesen Lebensstil am Rand der „normalen“ Gesellschaft leben und lieben. Ich hoffe, mit meinen Bildern kurz in meine Welt entführen zu können, so dass man beim Blick auf so ein Bild kurz verweilt und sich denkt: „Krass,  wie die abgehen!" oder "Irre!".

 

Und auch ich selbst entdecke manche Sachen ebenfalls erst auf den zweiten Blick. Aber genau das macht es so spannend, aufregend und mitunter lustig. Man weiß vorher sowieso nie so genau, was man am Ende im Kasten hat.

 

Was ist also wichtig und notwendig, um solche Bilder zu machen? Ich beschränke mich mal auf drei Hauptpunkte: Lichtstarke Ausrüstung, Kontakte und Mut!

 

Klar, alle die schon einmal selbst in dunkler Umgebung fotografiert haben, wissen dass man mit lichtstärkeren Objektiven und einer Vollformatkamera bessere Ergebnisse erzielen kann. Dazu ein kleiner Gedankenanstoß: Für gute Fotos auf einer Hardcore oder Punkrock Show musst relativ nah ran ans Geschehen. Und ich bin mir nicht sicher ob alle, die so etwas vorhaben, bereit sind, ihre hochwertigen und teuren Canons, Nikons und Co. für ein Foto einer wild gewordenen Menschenmeute, die keine Rücksichtauf einen Fotografen nehmen wird, zu opfern. Das sollte man bedenken.

 

Ich selbst nutze eine Sony A7. Gut bedient seid Ihr sicher auch mit einer Canon 7D, einer 5D Mark II. III oder einer 6D. Aus dem Hause Nikon eignen sich die D5100, die D70 und die D750. Alles Höherwertige geht natürlich auch, allerdings wie erwähnt mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass mitunter auch mal etwas zu Bruch gehen kann.

Lichtstarke Objektive mit mindestens Lichtstärke f/2.8 sind ein Muss! Meistens ist Blitzen nicht erlaubt und in seltenen Fällen auch nur indirektes Blitzen. Die Länge der Brennweiten sollte im Bereich 20–85 mm liegen. Ein Teleobjektiv macht, gerade in kleinen Veranstaltungsorten, einfach keinen Sinn. Ob man eher Festbrennweiten bevorzugt oder Zoomobjektive, ist eine Frage des Geschmacks. Ich selbst nutze nur Festbrennweiten und fokussiere. Fokus Peaking sei Dank alles manuell! Meine Lieblingsbrennweiten sind 20 mm, 28 mm, 50 mm und 85 mm. Damit bin ich gut versorgt. Wichtig ist natürlich auch, die eigene Kamera sehr gut zu kennen und möglichst blind zu beherrschen.

 

Der zweite wichtige Punkt ist, wie auch bei der allgemeinen Konzertfotografie, Kontakte und Beziehungen zu haben. Ohne diese wird es sehr schwer oder sogar unmöglich. Dann bekommt man nicht einmal die notwendige Akkreditierung* oder Erlaubnis, die Bands und Künstler*innen abzulichten. Und gerade, wenn man Emotionen aus nächster Nähe einfangen möchte und auch den Künstler*innen sehr nah kommt, sollten diese schon wissen, dass da jemand offiziell fotografiert. Da ist es schon von Vorteil ein paar Kontakte in der Szene zu haben. Und das ist meist nur der Fall wenn man selbst, jahrelang in der Szene auf Konzerten und Festivals unterwegs war und ist.

 

Der dritte und wichtigste Punkt heißt: Mut! Wer schon einmal auf einer Hardcoreshow war, weiß, wie es zugeht. Sicher möchte niemand mit Absicht die Fotograf*innen umhauen, aber die Gefahr, von springenden, „stagedivenden“ und pogenden Menschen oder ihren Gliedmaßen getroffen zu werden, ist allgegenwärtig. Und diese besteht gleichermaßen für Mensch und Technik. Ich hatte auch schon alles: Vom blauen Auge über die geprellte Rippe bis hin zur vorübergehenden Funktionsuntüchtigkeit der Kamera.

 

Wie Ihr sehen könnt, muss man ein klein wenig verrückt sein oder einen an der Waffel haben, um so etwas zu machen. Jedoch finde ich, dass es sich lohnt und es jedes einzelne Bild wert ist! Ich habe darin meine Berufung gefunden und werde das sicher noch ewig machen. Vielleicht fühlen sich ja nicht alle abgeschreckt und man sieht sich mal irgendwo auf so einer Show.

 

Allen anderen möchte ich vor allem mit meinen Bildern einen kleinen Einblick gewähren, in eine Subkulturszene am Rand der Gesellschaft, voll von tollen Menschen, ungestellten Szenen und ehrlichen Emotionen. Ich hoffe, das gelingt mir mit dem einen oder anderen Bild. See you somewhere in the pit!

 

*Offizielle Erlaubnis zum fotografieren auf Konzerten oder Festivals. Meist nur die ersten drei Songs. Vorrausetzung ist meist eine Tätigkeit für ein Magazin o.Ä.

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Kommentare: 1
  • #1

    Sponge (Dienstag, 25 Juni 2019 18:59)

    Dude! you nailed it 100%! These are great tips for those like us willing to push our limits while having fun and documenting the music we love. Yes, this is the most honest type of music, where only a very small handvoll of these musicians can live from their music alone. but like you and me, and the many fans...we're all in it for the positive vibe this music gives us.
    C-ya in the pit!!