Punk `n´ Gravel Teil 1 – In Bayern rumeiern
Es ist der 9. Juni 2022. Corona ist vermeintlich besiegt oder einfach nicht mehr existent. Wer weiß ... Ich habe für diesen Sommer beschlossen, so viele Festivals oder Konzerte mit dem Fahrrad anzusteuern, wie möglich. Hinzu kommt, dass es im Juni, Juli und August das „9-Euro-Ticket“ geben wird. Für mich die perfekte Alternative, falls ich mal ein Tagesziel nicht schaffe oder mal „cheaten“ möchte.
Früh um acht reißt mich Roger von Agnostic Front mit mehrmaligem „From the Eastcoast to the Westcoast....“ aus meinem Schlaf. Sprich, mein Wecker klingelt. Tag 1 beginnt. Die einzige Damenstimme in den nächsten Wochen, ist die von der netten Dame, die mich bei Komoot navigiert. Ich mache mich fertig für den ersten Teil meines „Punk `n´ Gravel“ Sommers. Das Rad habe ich bereits am Vorabend beladen. Klamotten, Werkzeug, Spiegelreflexkamera und zwei Objektive. Das Zelt lasse ich bei diesem kurzen Ausflug noch weg. Es soll ein Eingewöhnen für die weiteren Touren werden. Gut gestärkt und fertig gepackt mache ich mich gegen elf Uhr auf den Weg zum Schwarzenberger Bahnhof. Ich möchte erstmal wissen, wie das mit 9-Euro-Ticket funktioniert und ob es Probleme gibt. Vorsorglich fahre ich deshalb nicht zur morgendlichen Rushhour los. Der Zug ist - wie bei uns nicht anders zu erwarten - wenig gut gefüllt. Über Zwickau geht es nach Hof in Bayern. Hier sind schon einige Leute mehr unterwegs, aber nix dramatisches. Mein Ziel, Pegnitz, erreiche ich nach insgesamt 2,5 Stunden Zugfahrt. Von da aus will ich heute Nachmittag noch bis Neukirchen bei Sulzbach/ Rosenberg fahren, wo meine Eltern wohnen. Die ersten Tritte in die Pedale sind noch etwas steif. Ich bin z.Zt. Nicht unbedingt in Bestform, aber das wird schon.
Ich radele raus aus Pegnitz und passiere die ersten bayrischen Dörfer. Anfangs noch auf ein wenig Landstraße unterwegs, biege ich nach ca. zehn Kilometern auf einen Waldweg ab. Ich durchstrampele eine wunderschöne Waldlandschaft, gespickt mit Felsen und kleinen Seen. Ich muss sofort mal wieder feststellen, #erzisnottheonlyshit ;) Es ist wirklich schön hier. Nach einigen Waldkilometern radle ich durch kleine Ortschaften, über Felder und Wiesen. Oberpfälzer Bauernromantik.
Irgendwann stoppe ich für ein Kaltgetränke und eine kleine Mahlzeit. Nach dieser Stärkung folge ich einem kleinen Fluss weiter meinem Ziel entgegen. Die Zeit vergeht wie im Flug und schnell bin ich am Fuße des einzigen, nicht sonderlich spektakulären, jedoch trotzdem nervigen Berges angekommen. Diesen hinaufgeschnauft, geht es ab da nur noch moderat bergab. Die letzten Ecken vor meinen Tagesziel kenne ich von vergangen Besuchen.
Nach insgesamt 55 km und 1000 Hm und unerwartet schöner Landschaft erreiche ich das Haus meiner Eltern, wo ich für die Nacht unterkomme.
10.06.22
Die Nacht war lang. Wir haben uns lange nicht gesehen und es gab viel zu reden. Früh gegen neun Uhr frühstücken wir zusammen und schon kurze Zeit später schwinge ich mich auf meinen Drahtesel, um zum Bahnhof in Neukirchen zu fahren. Ich will die ersten Kilometer meiner heutigen Etappe mit dem Zug zurücklegen, da ich die Ecke schon kenne. So fahre ich 20 km bis Hersbruck mit der Bahn. Mein heutiges Ziel ist das 100 Kilometer entfernte Bamberg. Allerdings möchte ich Nürnberg gern mit ansteuern. Ich starte mit einem kurzen Abstecher in die Altstadt, mache ein, zwei Bilder und radele dann los in Richtung Nürnberg. Es geht über Landstraßen und gut ausgebaute Radwege - jedoch recht unspektakuläre - voran. Dafür mache ich allerdings gut Meter und bin schon nach knapp zwei Stunden und 30 Kilometern in der bayrischen Lebkuchenhauptstadt. Nürnberg ist schön, und ich mache einen kurzen Abstecher in die Innenstadt, den Markt und hoch zum Schloss. Ich war schon einige Male hier, und liebe die Aussicht von hier oben. Aber allzu viel Zeit bleib mir nicht, wenn ich noch etwas vorankommen möchte. Von Nürnberg aus zieht sich ein Park bis hinauf nach Fürth. Außer an den ganzen Hipstern und anderen komischen Menschen merkt man fast nicht, dass man in einer Großstadt ist.
In Fürth mach ich kurz Pause und stärke mich. Ich bin begeistert, wie schnell ich vorankomme. Nicht einmal die gefühlten tausend E-Bike-Heinis sind so zügig unterwegs. Nach einiger Zeit biege ich ab auf den Main-Donau-Kanal, an welchem ich mich bis kurz vor Bamberg orientieren werde. Das Fahren am Kanal macht wirklich Spaß. Einzig der Kies und der damit verbundene Staub, welcher mein Rad im Laufe des Tages mit einem leichten Grau überziehen wird, nerven auf Dauer. Aber irgendwas ist ja immer. Ab und an leitet mich meine liebe Komootlerin auf kleine Landstraßen, welche durch kleine Dörfer und vorbei an unzähligen Kirchen führen. Bayern eben. Ich habe mir vorab ein Hotel in Bug, kurz vor Bamberg gebucht. Dieses erreiche ich, wie bereits erwähnt, erstaunlich früh und erstaunlich fit nach sechs Stunden Fahrtzeit und 90 Kilometern. Zur Belohnung gibt es ein Kaltgetränk. Das ich jetzt noch jede Menge „Resttag“ habe und natürlich auch hungrig bin, entscheide ich mich, nochmal rein nach Bamberg zu strampeln. Sind nur 3 bis 4 Kilometer und es winkt die Aussicht, was vernünftiges Veganes zu Essen zu bekommen. Gesagt, getan. Ich lasse mir von einem Bekannten einen Tipp geben, wohin am besten zum Essen und folge dessen Erklärung. Und ich werde im mir empfohlenen Rebels in Bamberg wirklich belohnt. Warum kann es so was nicht im Erz geben? #erzisnottheshitinthiscase ;) Bestens verköstigt mache ich mich daran, die Stadt noch etwas zu erkunden. Und was soll ich sagen? Bamberg ist mega schön. Eine wunderschöne Altstadt, welche vom Kanal durchzogen wird, und an dessen Ufern sich alte Häuser im venezianischen Flair aneinanderreihen. Gegenüber auf einer Anhöhe thronen Burg und Schloss. Obendrein ist Abendstimmung, welche die Stadt in ein goldenes Abendlicht hüllt. Unzählige Menschen schlendern durch die Stadt oder tummeln sich in den Bars und Restaurants. Ich ziehe es jedoch vor, dem Getümmel etwas zu entfliehen und hinauf zum Schloss zu radeln, um dieses zu erkunden und einen Blick über die Stadt zu erhaschen. Ich schließe die Stadt sofort in mein Herz. Nach kurzem Verweilen begebe ich mich auf den Rückweg zum Hotel. Dort gönne ich mir ein weiteres Kaltgetränk und plane die Route für den nächsten Tag, bevor ich mich lang mache und einschlafe. Am Ende waren es heute 108 km und 850 Hm.
11.06.22
Ich erwache nicht all zu spät. Schnell Wasser und Zahnbürste ins Gesicht geschmissen und dann begebe ich mich zum Frühstück hinunter. Dies fällt mit Brot und Marmelade recht spärlich aus. 1st world problems eines Veganers! Hol` ich mir eben etwas unterwegs. So komme ich wenigstens zeitig los und schaffe es, nicht zu spät in Schweinfurt zu sein. Dort spielen heute Abend Sick of it All. Das Konzert ist Ziel und Grund meiner Reise. Außerdem will ich am morgigen Tag mit meinem Kumpel Haino ´ne Radtour durch die Umgebung machen. Haino organisiert obendrein das Konzert am Abend, welches im Stattbahnhof stattfinden wird.
Auf den ersten Kilometern passiere ich noch einmal Bamberg. Morgens in Flussnähe scheint die Stadt noch friedlich zu schlummern und zeigt sich erneut von ihrer schönsten Seite. Aber Romantik hin oder her, ich habe ein Ziel und trete in die Pedale. Vorbei an Wiesen, Feldern und Bauernhöfen führt mich mein heutiger Weg mal mehr und mal weniger entlang des Kanals. Dieser mündet nach ca. der Hälfte der Strecke in den Main, welchem ich von nun an folge. Nicht sonderlich spektakulär fahre ich auf gut ausgebauten Radwegen meinem Tagesziel entgegen. Völlig unaufgeregt und wieder recht zügig komme ich bereits gegen 14.00 Uhr am „Statti“ in Schweinfurt an, wo ich freudig von Haino empfangen werde. Von den gefahrenen 60 Kilometern ist nix zu merken. Auch im Gesamten fühle ich mich noch fit. Kein Poschmerz, kein Muskelkater. Perfekt.
Ich bekomme einen Kaffee serviert von Haino, parke mein Rad drinnen im Venue und wir warten zusammen auf SOIA, die jeden Moment eintreffen sollten. Gesprächsstoff haben wir immer genügend und so merken wir die Stunde bis zum Eintreffen der Band gar nicht. Als die dann eintrifft, ist die Freude allerseits riesig. Nach jetzt fast zweieinhalb Jahren sehen wir uns alle das erste Mal wieder live. Klar, dass es da viel zu erzählen gibt. Ich lasse aber Haino und die Band allein, damit sie sich erst einmal einrichten können. Ich habe genügend nette Gesellschaft von den anderen Mädels und Jungs aus dem Statti.
Bevor die Show startet, haben Haino und seine Kumpanen ein Grillen organisiert. Dabei haben sie sich wieder einmal selbst übertroffen. Der Großteil des Essens ist vegan und einfach super lecker. Selbst die Band, die auch mit uns zusammen grillt, ist total begeistert. Gutes Essen und kurzweilige Gespräche lassen die Zeit bis zum Beginn der Show schnell vergehen. In der Zeit füllt sich das Gelände um den Stattbahnhof merklich. Die Show ist zwar nicht ausverkauft, aber gut besucht. Die Leute sind in diesen Tagen noch etwas verhalten, habe ich das Gefühl. Aber das wird sich sicher bald legen.
Gegen 20.00 Uhr startet die Show. Den Teil werde ich etwas kürzen. Kurz um, es war eine wirklich gute Show, bei der alle Bands und vor allem SOIA wie nicht anders gewohnt abgeliefert haben. Auch das Publikum hatte definitiv seinen Spaß.
Die Stimmung nach der Show ist auch im Backstage großartig. Wir labern und lachen noch eine ganze Weile, bis sich die Band zurückzieht. Wir verabschieden uns und ich begebe mich hinunter zur „Aftershow Party“. Jetzt kann ich die Kamera weglegen und mir auch ein oder zwei Kaltgetränke gönnen. Es werden am Ende sogar drei, oder vier, oder.... Fakt ist, als ich mich im Statti, und nicht wie geplant bei Haino daheim hinlege, ist es hell und die beide Zeiger der Uhr stehen senkrecht in einer Linie. Das heißt, es ist entweder halb zwölf oder auch sechs.... genau erkenne ich das nicht. Aber das Tageslicht lässt es vermuten.
12.06.22
Ja, es war tatsächlich 6.00 Uhr morgens. Und eingeschlafen bin ich sogar noch später. Nicht verwunderlich, dass es mir schwerfällt, mich zu meinem 9.00 Uhr Termin mit Haino aus dem Bett zu schälen. Es gelingt mir erst eine knappe Stunde später und das auch widerwillig. Alkohol ist ein Arschloch. Aber lustig war es definitiv. Ich hatte echt viel Spaß mit den Mädels und Jungs. Aber jetzt möchte einer von ihnen mit mir Radfahren. Mein Körper möchte allerdings noch nicht und verlangt wenigstens nach einem Kaffee. Es werden zwei, bevor ich mein Rad startklar mache und wir uns in Bewegung setzen. Haino fährt noch mehr Rad als ich und ist wirklich fit. Mir graut etwas davor. Jedoch passt er sich schnell meinem Restalk-Tempo an, und wir cruisen dahin. Ich überlasse ihm auch die Streckenwahl und er erweist sich als extrem guter Führer. So habe ich Zeit, die Landschaft zu genießen. Ich mag die Ecke hier wirklich sehr. Wir radeln vorbei an einem alten Atomkraftwerk, hinauf zu einem einsamen, verlassenen alten Haus über Stammheim nach Volkach. Unterwegs machen wir Halt bei Freunden von Haino, wo es Kaffee und Kuchen gibt. Wir radeln hinauf durch die Weinberge und haben einen sagenhaften Ausblick über die Mainschleife und die Umgebung. Ein Traum. Auch in Volkach lassen wir uns kurz in einer Bar nieder, in der ein Bekannter auf uns wartet. Die Pausen tun gut, da die Sonne unablässig brennt heute.
Weiter geht es Richtung Würzburg. Die Landschaft bleibt wunderschön und Haino ist als Guide voll in seinem Element. Trotzdem bin ich heute nicht wirklich fit. So quäle ich mich etwas dahin bis Würzburg. Entschädigt werde ich allerdings immer wieder mit den Ausblicken in die Umgebung.
In Würzburg selbst treffen wir uns dann zum Abendessen mit Michi, einem gemeinsamen Bekannten. Es gibt vegane Pizza zum selbst zusammenstellen. So neigt sich ein schöner Tag, in netter Gesellschaft auch schon wieder dem Ende entgegen. Wir verabschieden uns nach dem Essen von Michi, und entscheiden uns für die Bahn heimwärts. Dem 9-Euro-Ticket sei Dank, alles easy. Zurück in Schweinfurt schnappen wir uns meine restlichen Sachen, welche noch im Statti liegen und fahren zu Haino. Der arme Kerl muss nämlich jetzt noch auf Nachtschicht! Ich würde sterben, wenn ich das jetzt müsste. Aber er nimmt es locker und sagt: „Ich zehre die ganze Nacht von diesem super Wochenende.“ Ich sicher auch, denke ich ... allerdings im Traum. 65 km und 750 Hm.
13.06.22
Ich erwache, als Haino von der Nachtschicht kommt. Der ist auch dementsprechend durch. Allerdings macht er mir noch einen Kaffee, bevor er duschen geht und ins Bett. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich denke „toller Mensch“ trifft es am besten. Nachdem ich meinen Kaffee ausgetrunken habe, schleiche ich mich aus seiner Wohnung. Es ist acht Uhr, als ich mich auf´s Rad schwinge und zum Bahnhof fahre. Ich nutze mein mir jetzt schon lieb gewonnenes Ticket erneut, um bis Bamberg zu fahren. Von da aus strampele ich in Richtung Kulmbach los. Im ersten kleinen Dorf nach Bamberg mache ich Rast für einen weiteren Kaffee und ein kleines Frühstück. Ich muss etwas schmunzeln, als ich lese, dass sie hier am Wochenende das „Kuckucksfest“ gefeiert haben. Tja, die wissen eben was es zu feiern wert ist :) Es ist ruhig, es ist ländlich und ich fühle mich heute wieder topfit. Ich passiere kleine Seen, typisch bayrische Dörfer und ruhige Feldwege. Schön ist es hier, denke ich, als ich mich Lichtenfels nähere. Lichtenfels ist nix Besonderes, aber ich finde wenigstens ein nettes Restaurant und esse sehr gut zu Mittag.
Weiter geht es nach Bad Staffelstein. Der Kurort ist eine Art Wallfahrtsort, der wegen seiner imposanten Klöster und der schönen Stadt vor allem bei älteren Menschen auf der „Bucket- List“ steht. Das merke ich auch gerade an den vielen Radtouristen, die mir hier entgegenkommen. Auf E- Bikes natürlich. Allerdings sei gesagt, der Altersschnitt ist hier um die 70. Da ist E- Bike fahren keine Schande. ;) Ich hingegen fühle mich heute wie Jan Ulrich, allerdings in schön. Ich komme wieder super zügig voran. Es macht Spaß. Wetter und Landschaft passen auch wieder.
Meine heutige Etappe endet in Kulmbach, nach 83 Kilometern und 700 Höhenmetern. Nichts Besonderes, aber ich bin stolz genug, um ein Bier auf die letzten Tage zu trinken. Dazu lasse ich mich in einem schönen Biergarten nieder und genieße sowohl Ambiente als auch Kaltgetränk. Kurz vor Fünf fahre ich zum Bahnhof, und steige in den Zug heimwärts. Im Zug habe ich drei Stunden Zeit, um alles nochmal in Ruhe Revue passieren zu lassen. Die Radtour, das Konzert, Haino, seine Kumpels vom Statti und die ganzen Eindrücke der letzten 400 Kilometer lassen mich grinsen. Die Welt kann so einfach sein, wenn man es nur zulässt.
Ich möchte nochmals Danke sagen an alle, die ich auf der Tour getroffen habe. Vor Allem an Haino und die Leute vom Statti. Bis zum nächsten Mal ... Danke!
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Zisch (Dienstag, 18 Oktober 2022 15:36)
Sehr schön ����
Endlich geht es weiter.
Super sehr schön mach weiter so ���
Die Welt braucht mehr davon ���