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Mit Ach und Krach am Bach zum Punkrock Holiday - Teil 3

Vom Erzgebirge über Umwege nach Slowenien (3)

 

 

 

30.07.22

 

 

 

Als ich morgens aufwache, riecht es schon nach Brötchen und Kaffee im ganzen Haus. Also schnell geduscht und dann hinunter an den Frühstückstisch. Für mich mit meiner „Essstörung“ gibt es zwar nur Brötchen mit Marmelade, aber das ist ok. Dafür erhalte ich viele Fahrradtipps. Denn der Hausherr ist auch leidenschaftlicher Radfahrer und hat die vor mir liegende Strecke über die Alpen schon mehrfach befahren. Frisch gestärkt und um einige Tipps reicher, mache ich mich auf den Weg. Ich will bis Salzburg, und von da an dem Alpe-Adria-Radweg folgen.

 

Es ist alles noch etwas nass vom Regen, der bis in die Morgenstunden angehalten hat. Aber es ist zumindest von oben nun trocken. Ich rolle hinunter nach Tittmoning und folge dem Weg entlang der Salzach. Ich komme sehr gut voran und erreiche ziemlich zügig Salzburg. Nach einem Stopp für einen Kaffee radele ich weiter Richtung Schloß und Zentrum. Jedoch lassen mich die vielen Menschen auf und um die Brücken unterhalb des Schlosses herum meinen Plan wieder einmal verwerfen. Ich habe heute keine Lust auf Menschenmengen. Ich fahre einfach weiter und beschließe, dafür woanders eine Pause einzulegen.

 

Die Radwege in und auch nach Salzburg sind super ausgebaut. Es geht entlang der Salzach weiter und es wird langsam bergiger. Hin und wieder muss ich über kleine Hügel weg von der Salzach. Hügelig, aber generell hält sich die Anstrengung in Grenzen. In Hallein, einer kleinen Stadt, stoppe ich kurz und esse zu Mittag. Frisch gestärkt geht es weiter. Es folgt ein ziemlich nerviges Stück. Denn erst geht es einen langen Anstieg hinauf - und das direkt an der Bundesstraße. Und dann zieht sich diese Konstellation noch über die nächsten Kilometer. Sprich, es gibt keinen anderen Weg, als der gut befahrenen Bundesstraße zu folgen. Dabei habe ich zumindest Glück, dass ich mich zwischen zwei kleinen Fahrradgrüppchen einordnen kann und somit die Autos meist nicht direkt hinter mir habe. Landschaftlich ist der Teil der Strecke schon sehr schön. Ich durchfahre ein Tal, das zwischen hoch aufragenden Hängen liegt, rechts von mir fließt wieder die Sandrach und nach einer Weile sehe ich von Weitem schon die imposant gelegene Burg Werfen. Wie gemalt thront diese oben auf einem Felsen. Ich ahne schon, dass ich die Burg bestimmt passieren werde. Und so ist es auch. Ich muss mich die Straße an ihrer rechten Seite hinauf quälen, um zu meinem heutigen Tagesziel, St. Johann im Pongau, zu gelangen. Jedoch bekomme ich dabei immer wieder tolle Ausblicke auf die Burg geboten, was genug Entschädigung für die Anstrengung ist. Hinter Werfen geht es wieder leicht bergab und ich komme meinem Ziel schnell näher.

Nach Werfen gelange ich nach Bischofshofen, wo ich kurz einem lokalen Fußballderby beiwohne. Ich wusste nicht, dass 50 Menschen so einen Radau machen können. Ich werde allerdings auch nie verstehen, warum sie das tun. Fußballfans sind komisch. Und werden mir immer fremder, auch wenn ich selbst mal einer war. Egal, von hier aus sind es nur noch sieben Kilometer bis zum heutigen Endpunkt. Und das ist auch gut so, denn am Himmel zeichnen sich fette Regenwolken ab, die auf baldigen Regen schließen lassen. Und als hätte ich es nicht besser gewusst, setzt einen Kilometer vor St. Johann der Regen ein. Ich flüchte mich in einen Sparmarkt. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, denn ich muss sowieso einkaufen. Jedoch regnet es beim Verlassen des Marktes noch immer. Okay, dann Vollgas. Die vorab gebuchte Unterkunft ist nur noch knapp zwei Kilometer entfernt. Die erreiche mit meinen, in dem Moment gefühlten „Peter Sagan“-ähnlichen Sprintqualitäten kurze Zeit später und nur leicht durchnässt. Zufrieden, halbwegs trocken angekommen zu sein und über die erbrachte Tagesleistung, lasse ich mir mein Abendbrot und das Kaltgetränk schmecken. Alt werde ich heute allerdings nicht. Im Gegenteil, ich falle bereits vor zehn Uhr in einen tiefen, entspannten Schlaf. 117 km und 600 Hm.

 


31.07.22

 

 

 

Gegen halb acht erwache ich. Nach Morgenstuhl und Mundhygiene gehe ich hinunter zum Frühstück. Beim Frühstück muss ich heute cheaten. Es gibt keine Möglichkeit, sich vegan zu verköstigen. So werden es zwei Scheiben Käse, die ich mir widerwillig rein zwänge. Aber ich werde es sicher überleben. Heut liegt meine „Angstetappe“ vor mir. Hinauf nach Bad Gaststein. Das Höhendiagramm zeigt das, was mein Kumpel Mario mir schon vorab berichtet hatte. Einen krassen Anstieg, bevor es dann fast nur noch bergab geht. Ich will gern bis Spital a.d. Drau kommen, weiß aber nicht, wie mürbe mich dieser Anstieg machen wird. Nach meinem ersten „gecheateten“ Frühstück packe ich meine Sachen und hole das Rad aus dem Keller. Kurz darauf setze ich mich in Bewegung und lasse Bischofshofen hinter mir. Ich folge dem Radweg und habe schon bald den ersten Anstieg vor mir, an dem ich kurz mal schieben muss. Und natürlich werde ich dabei von E-Bikern überholt. Der Anstieg ist nicht gerade beruhigend für die Gedanken an das Bevorstehende. Egal, beruhige ich mich selbst, auch das wird vergehen. Landschaftlich werde ich definitiv wieder einmal entschädigt. So schlängelt sich der Radweg links oberhalb der Hauptstraße, fernab von viel Verkehr durch die besagte schöne Landschaft. Überall saftige Wiesen, Kühe und Bauernhöfe. Alles eingerahmt von den Flanken der Bergmassive dieses Tales. Ich komme aber insgesamt doch schneller voran, als ich dachte. Schon bald bin ich in Gastein, wo ich eine kurze Pause einlege.

 

 

Meine Gedanken drehen sich von nun an um diesen steilen Anstieg in Bad Gastein. Na ja, wenn nicht, wird eben ´ne Weile geschoben, denke ich, und mach mich auf den Weg dahin. Entlang der Gasteiner Ache nähere ich mich der Stadt, welche majestätisch im Bergmassiv vor mir thront. Wie hoch es hinauf geht, lässt sich allerdings nicht genau ausmachen und nur erahnen. Und dann ist es so weit. Ich erreiche die Ausläufer der Stadt und sehe die Straße, welche hinauf in den Ort führt und nach oben hin immer steiler wird. Ok, hatte ich ja erahnt und irgendwie werde ich das schon schaffen. Ich habe an dem ersten Berg jedoch keine Chance, diesen, ohne mein Rad schieben zu müssen, zu erklimmen. Und natürlich werde ich dabei von E-Bikern überholt, und belächelt. Aber ich habe mit mir zu tun. Den ersten Absatz bewältigt, zeigt sich die Stadt in seiner ganzen Schönheit. Große Hotels und Wohnhäuser türmen sich treppenähnlich vor mir auf. Mitten durch die Häuserformation stürzt ein wild tosender Wasserfall hinab ins Tal. Was für ein Anblick. Kurz bleibe ich stehen und mache Bilder. Dann geht es einen weiteren steilen Berg hinauf. Rechts neben der Straße tost der Bach eindrucksvoll hinunter. Der Ort selbst wird zunehmend voller, denn am Ende des Anstiegs macht die Straße einen Knick und führt mit einer Brücke über das tosende Gewässer. Die Brücke ist voll mit Menschen, die das Ganze digital festzuhalten versuchen. Mir sind das eindeutig zu viele Menschen. Also trete ich in die Pedale und fahre der Hauptstraße folgend weiter bergaufwärts. Immer in Erwartung an den nächsten steilen Anstieg. Doch ein paar Minuten später verlasse ich den Ort und radle die langgezogene, jedoch nicht steile Straße entlang. Und nach einmal mehr links abbiegen und einem kurzen Anstieg erreiche ich den Bahnhof, von wo aus ich mit dem Zug einen Tunnel durchqueren muss, um 8 Minuten später auf der anderen Seite des Bergs meinen Weg fortsetzen zu können. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Aber ich trotzdem erstaunt, dass das nun alles an bergauf fahren gewesen sein soll. Das hatte ich mir echt viel schlimmer ausgemalt. Ein Grinsen macht sich breit in meinem Gesicht. Ich bin am höchsten Punkt meiner Reise. Ab jetzt geht es eigentlich nur noch bergab.

 

 

Im Zug selbst sind noch fünf E-Biker und ein Schaffner, der aussieht wie Kurt Krömer, nur als ernsthafte Variante. Wie gesagt, die Fahrt dauert gerade einmal acht Minuten. Danach reicht mir Herr Ernst Krömer mein Fahrrad aus dem Radwagen und ich setze meine Fahrt fort. Es folgt eine ausgedehnte, kurvenreiche Abfahrt hinunter nach Obervellach. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht genieße ich den Fahrtwind, der mir entgegenbläst. Vergessen sind alle Anstrengungen und Fluchereien. Der Weg nach Spital, wo ich campen möchte, ist moderat, durchsetzt mit kleinen Anstiegen und Abfahrten, aber insgesamt easy zu fahren. Am frühen Abend erreiche ich dann den Campingplatz. Es ist sehr voll hier. Da ich aber keine Lust habe, weiterzufahren, entschließe ich mich, hier zu bleiben. Ich bekomme einen Platz zugewiesen, irgendwo zwischen anderen Zelten und tausend Campern. Romantik ist anders. Aber ist ja nur Mittel zum Zweck.

 

Wenigstens ist der Nachbar wieder einmal sehr nett, und lädt mich zum Fußball schauen und einem Bier ein. Und natürlich werden aus einem zwei und aus zwei werden drei... ihr kennt das. Am Ende sind wir Nationaltrainer der Frauen-Fußball-Nationalmannschaft und fachsimpeln. Aber er und seine Familie sind sehr nett und wir labern noch ewig bis spät in die Nacht. Wieder einmal muss ich ein Vorurteil begraben. So schleiche ich dann auch irgendwann kleinlaut in mein Zelt und lege mich schlafen.

 

 


01.08.22

 

 

 

Für den Morgen hatte mir der Nachbar am Vorabend schon Kaffee angeboten. Und als ich am nächsten Morgen erwache und mich zur Dusche begebe, fragt er erneut nach, ob ich noch interessiert wäre an dem schwarzen Gold. Ich bejahe das. Erneut fachsimpeln wir nochmals über bestimmte Themen vom Vorabend, bevor ich mich verabschiede. Ich will nicht zu spät los. Ich habe erneut einen straffen Plan vor mir. Ich will dem Alpe Adria Radweg folgend nach Italien, und von da aus über den Predilpass nach Slowenien.

 

Ich verlasse den Zeltplatz und fahre entlang der Straße, was mich absolut nervt, hinein nach Spital, wo ich mich zum Frühstück niederlasse. Danach soll mein nächstes Ziel Villach werden. Dazu folge ich dem Radweg, welcher mich immer an der Drau entlangführt.

 

Nach ca. vierzig Kilometern erreiche ich Villach dann und möchte eigentlich zu Mittag essen. Jedoch ist irgendein Stadtfest, welches meine Pläne durchkreuzt. Ich cancele das Mittagessen in der Stadt, da die voll mit Menschen und überall Blasmusik zu hören ist. Mein persönlicher Horror. Schlecht gekleidete Menschen, die bei Scheißmusik völlig überteuertes Bier trinken und totes Tier in sich hineinstopfen. Also nix wie weg. Für mich wird es ein Mittagessen auf einer Bank außerhalb der Stadt, mit schöner Aussicht und Kartoffelsalat. Schon besser.

 

 

Danach radle ich die flach ansteigende Straße hinauf Richtung österreichisch-italienischer Grenze. Oben angekommen biegt der Radweg in den Wald ab und wird kurz mal richtig steil. Also schieben. Nach der kurzen Schiebepassage schlängelt sich der Radweg durch den Wald, entlang am Fluss Slizza, der mich bis nach Tarvisio führt. Ich begegne dabei vielen Radfahrern. Doch die meisten oder eigentlich alle folgen dem Alpe Adria Radweg weiter Richtung Udine und Meer. Ich hingegen biege links ab zum Predilpass, der mich nach Slowenien bringt. Etwas Respekt habe ich davor schon. Bisher habe ich diesen nur einmal mit dem Auto bezwungen. Aber wird schon klappen. Und es wird dann auch insgesamt nicht so schlimm wie gedacht. Einzig nervig ist wieder einmal, dass mich der Weg der Hauptstraße entlangführt. Zu meinem Glück hält sich der Verkehr in Grenzen. Außerdem habe ich heute gute Laune, was mir einen zusätzlichen Boost gibt. Und als ich den auf dem Weg liegenden Predilsee erreiche, macht sich ein Grinsen in meinem Gesicht breit. Der See liegt eingerahmt zwischen steil aufragenden Bergen und Felswänden. Er strahlt in „wickblau“ und Sand und Bäume säumen seine Ufer. Ein wirkliches Postkartenmotiv und definitiv ein „Kaltgetränk-Spot“.

 

Nach einer kurzen Pause mache ich mich wieder auf, um das steilste Stück der Etappe zu bezwingen. Ich muss zwei unbeleuchtete Tunnel passieren, was wirklich scary ist auf der engen, jetzt gut befahrenen Straße. Und dann geht es weiter, über Serpentinen, steil hinauf zur Passhöhe und italienisch-slowenischen Grenze, immer mit nervenden, gestressten Autofahrern im Genick.

 

Jedoch habe ich es eine halbe Stunde später geschafft und erreiche die Grenze. Geil, denke ich. Jetzt bist du einfach mal vom Erz nach Slowenien geradelt. Krasser Scheiß. Darauf gönne ich mir ´ne Portion Pommes und zwei weitere Kaltgetränke. Ich genieße den Moment wirklich sehr und es ist einer dieser Momente, die sich sicher ins Hirn einbrennen werden. Besser als jede fucking Netflix-Serie.

 

Was folgt ist eine gefühlt ewige Abfahrt mit traumhaften Ausblicken. Das Grinsen wird immer breiter. Ich rolle und rolle und rolle. Allerdings hatten sich die ganze Zeit schon Regenwolken am Himmel breit gemacht. Und natürlich fängt es an zu regnen. Und das nicht zu wenig. Also suche ich mir was zum Unterstellen und mache eine Pause. Der Regen bleibt nicht lange und kurze Zeit später kann ich meine Tour fortsetzen. Ich radle auf Bovec zu, wo ich heute mein Zelt aufschlagen will.

 

Wenig später radle ich nach Bovec hinein und will mir einen Zeltplatz suchen. Es gibt insgesamt fünf. Auf allen (!) werde ich abgewiesen, mit der Begründung sie hätten keinen Platz. Meine eben noch so gute Laune verwandelt sich nach dem dritten Zeltplatz, zu welchem ich einen 14%igen Berg hinuntergerollt bin, in Wut. Bringt mir nichts, weiß ich, geht aber gerade nicht anders. Und während ich vor Wut schäumend meinen Drahtesel diesen Kackberg wieder hinauf schiebe, frage ich mich echt, wie es sein kann, das nicht einen einziger Platz für eine Person mit Zelt und Rad frei ist. Vor Wut buche ich mir ein Bett in einem Hostel und ich mache mich auf den Weg dahin.

 

Natürlich ein 6-Personen-Zimmer, gemischt. Na gut, wenigsten kostet es nicht viel. Und ´ne Dusche gibt´s auch. Ich beziehe mein Zimmer, welches ansonsten mit drei Mädels und zwei Vollproleten belegt ist. Egal, schlafen und zeitig wieder weg. Das Fahrrad bekomme ich sicher untergestellt und das ist mir für heute das Wichtigste. Als alles verstaut ist und ich sauber bin, gehe ich etwas essen und lasse mich an der Hostelbar nieder. Eine Gruppe Locals, die Jenga spielen, winkt mich nach einer Weile an ihren Tisch, um mitzuspielen. Und natürlich wird getrunken und gelacht. Das Ende vom Lied ist, das ich irgendwo in einer Bar im Stadtzentrum ende und mich ein Franzose kurz nach Mitternacht im strömenden Regen zu Hostel fährt und mich dort abliefert. Manchmal ist die Welt so schön einfach. Und ja, richtig, strömender Regen und Gewitter. Haha, ihr Zeltplatz-Arschgeigen, ich liege im Trockenen, und ihr?

 

Na gut ja, im Trockenen, bei geschlossenen Fenstern, oben im Doppelstockbett, mit super Geruch und schnarchenden Menschen. 115 km und 1550 Hm

 

 

 

 


02.08.22

 

 

 

So ein 6-Personen-Zimmer ist schon toll .... nicht. Also nicht in meinem Alter. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie ich das 2009 ein halbes Jahr in Australien durchgehalten habe. Na egal, Frühstück und dann schnell weg. Das Wetter ist gut und Regen ist in den nächsten Tage auch nicht in Sicht. Gute Aussichten.

 

Ich starte Richtung Süden. Es gibt anfangs nur die eine Straße, die Hauptstraße. Diese schlängelt sich entlang der Soca bis hinunter an die Adria. Entsprechend nervig ist der Verkehr anfangs. Allerdings kann ich nach ca. zehn Kilometern abbiegen, und der Weg führt mich von nun an über Seitenstraßen und Wege weiter südlich. Ich durchquere uralte kleine Dörfer, welche eingebettet in einer traumhaften Landschaft liegen. Vorbei an Seen und immer wieder mit Blick auf das wickblau-farbene Wasser der Soca folge ich dem Fluss. An einigen Stellen verlasse ich dabei die Straßen und werde von Frau Komoot auf Waldwege, über teilweise steile Anstiege und haarige Abfahrten durch die Wälder Sloweniens navigiert. Aber auch das vergeht und wenig später strampele ich wieder durch traumhaft schöne urige Dörfer mit wunderschönen Steinhäusern.

 

Gegen Mittag erreiche ich bei sengender Hitze Tolmin, das eigentlich Ziel meiner Reise. Hier findet in fünf Tage das alljährliche Punkrock Holiday Festival statt, zu dem ich als Fotograf eingeladen wurde. Für mich eine riesige Ehre, da ich es für eines der schönsten und besten Punkrock-Festivals halte. Und jetzt darf ich hier sein als einer von drei offiziellen Fotografen. Geil.

 

Aber genug der Selbstbeweihräucherung. Ich bin jetzt fünf Tage zu früh hier. Das war aber absehbar. Deshalb ist der Plan jetzt, bis hinunter an die Adria zu radeln. Doch erst mal gibt’s Mittag!

 

Und eine Portion Aglio Olio und zwei Bier später, verabschiede ich mich vorerst aus Tolmin und freue mich auf das bevorstehende Wiedersehen.

 

 

Scheißwarm ist es allerdings immer noch. Ich radele beim Verlassen der Stadt noch schnell am Festivalgelände vorbei und checke, ob jemand Bekanntes aus dem Orga-Team da ist. Jedoch treffe ich niemanden an und fahre weiter. Und hinter jeder Ecke öffnen sich immer wieder neue traumhafte Landschaften. Ich weiß gar nicht, ob es in Slowenien überhaupt hässliche Orte gibt. Bisher Fehlanzeige. Weiter geht es zum heutigen Tagesziel, Nova Gorica, wo ich von Tolmin aus ein Hotel gebucht habe. Der Weg dahin ist zwar wirklich traumhaft, allerdings ist die Kombination aus Hitze und dem ständigen Auf und Ab für mich heutige extrem beschwerlich. Die morgendliche Leichtigkeit ist dahin und ich muss in Kanal de Soci eine Pause einlegen. Zugegeben, nicht der schlechteste Ort für eine Pause. Kanal liegt direkt an der Soca, und hat eine markante Kirche im Ortskern, welche zusammen mit dem Blau des Flusses und den Steinhäusern, die sie umgeben, erneut ein Postkartenmotiv abgeben.

 

Etwas erholter schwinge ich mich wieder auf mein Rad und mache mich wieder auf den Weg. Doch meine gute Form finde ich heute nicht mehr wieder. Ich schleppe mich durch die schöne Landschaft und die letzten Kilometer werden heute zur Qual. Völlig platt komme ich in Nova Gorica am Hotel an, wo ich nach einer Dusche erst einmal auf´s Bett falle und penne.

 

 

Eine Stunde später, es ist früher Abend, als ich mit Jaka, meinem Mediateamleiter beim bevorstehenden Festival, telefoniere. Dabei stelle ich fest, dass dieser in Nova Gorica wohnt. Wir lachen über den Zufall und dass wir uns vorher nie darüber unterhalten haben. Dann verabreden wir uns für den Abend. Zirka eine Stunde später steht er vorm Hotel und holt mich ab. Mit ihm, seiner Freundin Irena und zwei Freunden fahren wir in eine Brauerei, wo er mir verschiedenste lokale Biere „zeigt“. Na, das kann ja was werden, denke ich. Nach der Brauerei fahren wir in die Innenstadt, wo wir essen gehen und kurz darauf in einer Bar landen. Ich erfahre viel über die Stadt, viel Geschichte. Und ohne, dass ich zu sehr auf die Details des Abends eingehe, kann ich nur sagen, dass es ein sehr lustiger Abend ist. Ich habe selten so viel gelacht, und das trotz der Sprachbarriere. Tja, bleibt wohl einmal mehr zu sagen, dass die Welt schön und einfach ist, wenn man sich nur darauf einlässt. 93 km 900 Hm.

 

 

03.08.22 und 04.08.22

 

 

 

Ein wirklich schöner Abend, der gestrige. Jaka hat mich beim Abschied sogar noch eingeladen, noch einen Tag hier bei ihm zu bleiben. Beim Frühstück im Hotel wird die Idee dann zum Entschluss und ich gebe Jaka Bescheid, dass ich noch einen Tag bleibe. Wir verabreden uns für den Nachmittag. Bis dahin will ich mir die Stadt bzw. die Städte noch anschauen. Nova Gorica (zu Deutsch: Neu Görtz) ist der neuere und slowenische Teil der italienischen Stadt Gorica (Görtz). Ja, genau, die Landesgrenze verläuft genau durch die Stadt. Man wechselt beim Erkunden fast unweigerlich immer mal wieder das Land. Irgendwie witzig. Für die Bewohner aber ganz normal und nichts Besonderes.

 

Ich schwinge mich also auf mein Rad und lasse mich ohne großen Plan einfach treiben. Mache immer mal wieder Pausen am Fluss, an kleinen Bars und in der Altstadt von Gorica. Dort bleibe ich sogar etwas länger hängen, da die Sonne wieder unerbittlich vom Himmel brennt.

 

Etwas später radle ich wieder zurück ins Zentrum von Nova Gorica, wo ich mich mit Jaka und Marco, einem italienischen Fotografen aus unserem Mediateam, treffe. Wir schnacken, essen Pizza und trinken das ein oder andere Kaltgetränk. Später treffen wir uns mit Nico, einem der Veranstalter des Punkrock Holiday Festivals, um ihm beim Verladen seiner Sachen für das Festival zu helfen. Wir quatschen auch hierbei viel über Dies und über Jenes, was sich später in Jakas Wohnung noch bis tief in die Nacht fortsetzen wird. So ist es eben auf Reisen, wenn man offen und neugierig ist. Dann sitzt du auf einmal irgendwo im Nirgendwo, in einem Block, mitten in Slowenien und sprichst mit tollen Menschen über Gott und die Welt.

 

 

Am nächsten Morgen gibt es Frühstück und eine Erklärung über die fachgerechte Handhabung eines italienischen Espressokochers. Merke: Wasser vorkochen und dann einfüllen! Zugegeben, sein Kaffee schmeckt wirklich gut.

 

Gegen 8.00 Uhr fahre ich aufgrund der Hitze schon los. Ich will nach Koper, einer Küstenstadt an der slowenischen Adria. Dort treffe ich mich mit Markus, meinem Kumpel aus Oberwiesenthal, mit dem ich dann zusammen zum Festival fahren werde. Mit dem Auto dann allerdings.

 

Meine Entscheidung, so zeitig loszufahren, war anscheinend weise. Denn nach Verlassen von Gorica erhasche ich zwei Orte weiter einen Blick auf ein Thermometer, was bereits 33 Grad anzeigt. Dabei ist gerade einmal neun Uhr. Ich sehe zu, dass ich die kleinen Hügel im Landesinneren schnell hinter mir lasse und bevor es noch heißer wird, die Küste erreiche. Dabei passiere ich einige Straßen, die in den letzten Tagen aufgrund kleinerer und größerer Waldbrände gesperrt worden waren. Am Rand kann ich noch verkohlte Bäume sehen und in der Luft liegt noch der beißende Geruch vom Qualm des Feuers der vergangenen Tage.

 

 

Als ich die Passagen dann endlich hinter mir lassen kann, erhasche ich die ersten Blicke auf das näherkommende Meer. Die Luft wir besser, die ersten Möwen kreisen am Himmel und es riecht nach Meer. Bis zur ersten Ortschaft, welche direkt am Wasser liegt, Duino/ Devin, strampele ich entlang der jetzt sehr gut befahrenen Hauptstraße. Dann biege ich in den Ort ab und rolle hinab ans Wasser. Ich freue mich wie Bolle. Schließlich bin ich in den letzten Tagen einfach mal vom Erzgebirge bis an die scheiß Adria geradelt! Krass. Bevor ich weiterfahre, zelebriere ich das Ganze natürlich mit einem Bier.

 

Von jetzt an folge ich der Küstenstraße nach Triest, welche oberhalb der Küstenlinie verläuft und von der aus man immer wieder grandiose Blicke auf die darunter liegenden Orte und Strände erhaschen kann. Trotz des Verkehrs, der hier herrscht, lässt sich meine Stimmung nun durch nichts mehr trüben. La Dolce Vita, Grinsebacke. Ich rolle gemächlich hinab nach Triest. Die italienische Küstenstadt habe ich als nicht sonderlich schön in Erinnerung. Allerdings frage ich mich, ob ich damals, als ich mal durch diese gefahrenen bin, besoffen war. Denn vor mir eröffnet sich eine wunderschöne und typisch italienische Stadt am Meer. Mit Allem, was diese so zu bieten haben. Historische Altstadt, Promenade, Hafen und jede Menge gegelte Lackaffen. Aber so ist das nun einmal in Bella Italia. Ich trete etwas langsamer und lasse das alles schön auf mich wirken. Und natürlich gibt es unterwegs auch den einen oder anderen Espresso.

 

Aber irgendwann muss ich von der Promenade wieder hinauf in die Stadt radeln, da es keinen direkten Radweg entlang der Küste gibt. Und die Temperaturen sind auch nicht gefallen seit den Morgenstunden. Der Weg führt mich immer wieder auf und ab quer durch die City, bis ich es endlich geschafft habe und aus der Stadt rauskomme. Ganz schön groß, das scheiß Triest, aber doch auch schön.

 

 

Ein Telefonat mit Markus lässt mich erfahren, dass er ein Zimmer in Koper gebucht hat. Nach der Eingabe der Adresse bei Komoot zeigt mir die App, dass es noch 24 Kilometer sind und am Ende der Endgegner, ein Berg mit 15% Steigung, auf mich wartet. Danke, lieber Markus für die Buchung eines Zimmers oben auf einem Berg :) Ich trete weiter in die Pedale und bringe die 24 Kilometer relativ schnell hinter mich. Allerdings auf kosten der Form. Denn es ist mittlerweile unerträglich warm. Nein, heiß. Es ist einfach nur heiß. Doch kurz vor dem Anstieg gönne ich mir noch ein Eis und eine kurze Pause. Dabei öffne ich eine Nachricht von Markus auf Whatsapp. „Kann dich auch unten in der Stadt holen, wenn du bei der Hitze nicht noch hoch auf den Berg strampeln möchtest.“. Ein guter, ein wahrer Freund, wie ich in dem Moment finde. Und natürlich nehme ich das Angebot dankend an. Scheiß auf Statistiken, fehlenden Höhenmeter oder so ´nen Quatsch. Mir ist es einfach zu warm und ich bin froh, dass Markus da ist.

 

Die Freude seinerseits ist auch groß und wir beschließen, in der Stadt gleich noch ein Kaltgetränke zu uns zu nehmen. Gibt schließlich viel zu erzählen. Denn Markus war in der letzten Woche auch viel in Österreich und Slowenien unterwegs, zwar mit Auto, aber zu erzählen gibt es da ja trotzdem viel. So ist auch klar, wie der Abend enden wird. Wir sitzen noch ewig zusammen und reden.

 

 


Die nächsten Tage und das Festival

 

 

Ja, so unspektakulär enden 1200 Kilometer und 12800 Höhenmeter Radfahren. Es steht keiner am Ziel und verleiht einem ne Medaille. Trotzdem war, und ist es jedes Mal ein unbeschreibliches Gefühl Ziele, von denen man nicht glaubte sie zu erreichen, schafft. Und all das Erlebte kann einem keiner mehr nehmen. Ich bin stolz darauf vom Erzgebirge, über die Alpen, bis hinunter an die Adriaküste geradelt zu sein. Und das ohne Unterstützung.

 

Die nächsten Tage verbringen Markus und ich damit uns touristisch von der Küste wieder hinauf nach Tolmin zu arbeiten. Dabei machen wir Station in Piran und Nova Gorica. Wir fahren herum und erkunden die Gegend um die jeweiligen Orte. Dann geht es weiter zum nächsten und schließlich nach Tolmin, wo ab dem Folgetag das alljährliche Punkrock Holiday stattfinden wird. Wir reisen extra etwas früher an, um uns einen guten Zeltplatz zu sichern. Aber da ich als Fotograf geladen bin, ist es uns möglich gleich vorm Eingang zum Festivalgelände zu zelten. Perfekt. Dann kann der Spaß ja jetzt losgehen.

 

Auch hier will ich allerdings lieber wieder ein paar Bilder, anstatt vieler Worte sprechen lassen. Nur so viel. Sicher gibt es Leute die sagen, das ist kein Punk mehr, und nur noch Kommerz. Aber wir leben eben nicht mehr in den 80ern und auch Punkrock, oder besser dessen heutiges Gesicht, hat sich eben geändert. Ich finde ein Festival dieser Größe, ohne Barrikaden, mit dieser ausgelassenen Atmosphäre, gepaart mit diesem wunderschönen Ort, an dem es stattfindet und den Leuten, die einfach nur Spaß haben wollen, machen das Festival zu einem der schönste Europas und der Welt. Kein Stress, keinen Ärger, nur Sonne, Spaß und gute Musik. Und das Ganze über die nächsten fünf Tage. Dabei werden Bands, wie The Interrupters, The Descendens, Ignite und vielen, vielen mehr sich die Klinke in die Hand geben. Es werden für uns fünf unvergessliche Tage mit tollen Menschen und jeder Menge Spaß.

 

Aber genug der Worte....jetzt heißt es zurücklehnen und Bilder genießen.

 

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