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Mit Ach und Krach am Bach zum Punkrock Holiday - Teil 1

Vom Erzgebirge auf Umwegen nach Slowenien

 

 

19.07.22

 

Heute startet die „Königsetappe“ meines Punk´n`Gravel-Sommers. Der Plan sieht vor, dass ich über Tschechien nach Prölsdorf in Bayern zum „Krach am Bach“ Festival fahren will. Danach will ich nach München, um von dort aus mit dem Bus nach Florenz zu fahren. Von Florenz aus sieht der Plan dann vor, zum „Distruggi La Bassa“ Festival am Lago Alba zu radeln und schlussendlich nach diesem Festival zum „Punkrock Holiday“ nach Slowenien zu fahren. Aber es wird anders kommen...

 Es ist früh um neun, ich muss noch einiges packen und will gegen Mittag los. So kommt es auch. Ich radele die ca. fünf Kilometer bis zum Bahnhof von Antonsthal, wo ich in den Zug nach Karlovy Vary steige. Ich kenne hier in der Heimat gefühlt jeden Stein am Wegesrand und habe mich deshalb für den Zug entschieden. Das alles läuft völlig reibungslos. Gegen 14:30 Uhr erreiche ich Karlovy Vary, von wo aus ich entlang der Eger bis nach Cheb radeln will. Zum Einradeln perfekt. Die ersten Kilometer bis Loket sind mir bekannt und ein landschaftlicher Leckerbissen. Es geht immer entlang der Eger. Die Eger ist hier ein Paradies für Kanuten, Hobbypaddler und Camper. Hinter Loket wird es dann trister. Es folgen Industriestädte wie Sokolov und Kynsperk. Typisch tschechisch: zweckmäßig und hässlich. Aber der Radweg ist gut ausgebaut und man lässt die beiden Moloche schnell hinter sich. Weiter geht es, eher unspektakulär, bis nach Cheb. Ich kenne die Stadt nur von früher vom wöchentlichen Pendeln nach München, und fand sie immer nur hässlich. Jedoch bekommt man mit dem Rad einen anderen Blick und die Innenstadt ist wirklich schön. Ich stoppe für ein Kaltgetränk und eine Portion Aglio e Olio. Frisch gestärkt mache ich mich kurz darauf auf nach Franzensbad, einem nahegelegenen Kurort. Dort habe ich vorab einen Bungalow auf einem Zeltplatz gebucht. Am ersten Abend möchte ich noch etwas „Luxus“. Die Landschaft ist hier auch nicht mehr so trist und so radele ich in der Abenddämmerung meinem Nachtdomizil entgegen. Es handelt sich um einen typischen „Ostzeltplatz“. Kein schickimicki, alles funktionell und ohne viel Tamtam. Auch meine Unterkunft ist weit entfernt von „Luxus“. Holzhütte, zwei Doppelstockbetten, Tisch und Kühlschrank - fertig. Die Raumtemperatur ist saunaähnlich. Wahrscheinlich will man mir hier schon mal zeigen, wie warm es in Italien und Slowenien sein wird. Ich parke mein Fahrrad im Bungalow und beschließe, mich mit ein paar Kaltgetränken etwas abzukühlen. Der Plan funktioniert. Und als ich nach über zwei Stunden zurückkehre in mein Domizil ist die Temperatur glücklicherweise auch etwas gesunken. Mit geöffneten Fenstern und Türen schaffe ich es, eine passable Schlaftemperatur herzustellen. So endet Tag Eins, indem ich zufrieden irgendwo in Tschechien friedlich einschlafe. 70 km und 700 Hm.


20.07.22

 

Ich erwache sehr zeitig. Es ist gerade einmal halb sechs. Der Zeltplatz schlummert noch friedlich vor sich hin. Ich mache mich etwas frisch und schnappe mir meine Kamera, um etwas von der schönen Morgenstimmung einzufangen. Neben dem Zeltplatz sind zahlreiche kleine Seen, auf denen der Morgennebel liegt. Enten treiben gemütlich auf der Wasseroberfläche und hier und da springen kleine Fische aus dem Wasser. Malerisch schön.

Ich beschließe, die morgendlichen Temperaturen zu nutzen, um ein paar Kilometer zu machen. So starte ich den Radtag gegen halb sieben. Sehr guter Plan. Denn die ersten Kilometer sind dank der Morgenstimmung einfach nur bezaubernd. Vorbei an weiteren Seen und kleinen Bächen navigiert mich „Frau Komoot“ über die Grenze bis nach Schirnding in Bayern, wo ich mich zum Frühstücken niederlasse. Danach führt mich meine Reise über Arzberg und Marktredwitz nach Neusorg im Fichtelgebirge. In einem nahegelegenen Rewe finde ich mein erst vor Kurzem entdecktes veganes Highlight: Veganes Mett. Danke nochmal dafür, Rügenwalder Mühle. Frisch ausgestattet mit diesem Gold und ein paar Brötchen mach ich mich auf, hinauf zum Fichtelsee. Doch die Temperaturen sind schon wieder jenseits der 30 Grad und ich muss pausieren. Ich stoppe in Nagel am Nagelsee, wo ich mich obendrein ein Hungerast ereilt. Aber ich bin ja bestens ausgestattet. Und es könnte wirklich schlechter sein als vegane Mettbrötchen auf einer Bank am See zu essen. Danach geht es mir etwas besser. Ich beschließe jedoch, hier eine Pause zu machen. Zeit habe ich eh genug. Gegenüber am anderen Ufer entdecke ich einen Imbiss, an dem es sich gut aushalten lässt. Zusätzlich sorgt eine Dusche für die dringend benötigte Abkühlung. Einzig der Spinner, der sich vor mir niedergelassen hat, nervt mich. Er hat auf einem Unterarm „Walhalla“ tätowiert und auf dem anderen den Namen seine Tochter. Wahrscheinlich, damit er ihn nicht vergisst. Er erklärt im besten Ostdeutsch seiner Freundin, die bestimmt Jaqueline heißt, die Welt und das man kämpfen soll, statt zu klagen. Dieser „Ronny“ ist zum Fremdschämen und gern würde ich ihm das Thema kämpfen etwas näher erläutern. Aber dieser Honk ist es nicht wert. Nur schade, dass solche auch zur Wahl gehen dürfen.

Ein guter Zeitpunkt also für den Aufbruch. Ich packe meine Sachen, schwinge mich auf meinen Drahtesel und quäle mich bei über 30 Grad im Schatten den vierzehnprozentigen Anstieg hinauf zum Fichtelsee. Dort werde ich allerdings entschädigt für die Qualen. Mitten im Wald liegt dieser idyllische Waldsee. Spontan entscheide ich mich, für eine Weile hier zu bleiben. Meinen Plan, heute bis Bayreuth zu radeln, verwerfe ich und buche stattdessen ein Zimmer im nahegelegenen Bischofsgrün. Ich gönne mir zwei Kaltgetränke und bayrischen Kartoffelsalat im Imbiss am Ufer des Sees. Nach der Stärkung entscheide ich mich, eine Runde schwimmen zu gehen. So lässt es sich aushalten. Ungefähr zwei Stunden später, nachdem meine Sachen getrocknet sind, packe ich wieder alles zusammen und rolle hinunter nach Bischofsgrün. Dort mache ich mich nochmals frisch und gehe in der Stadt noch eine Kleinigkeit essen. Mit zwei Kaltgetränken auf dem Balkon meiner Unterkunft klingt ein wunderschöner Tag Zwei aus. Erkenntnis des Tages? Life is good und #erzisnottheonlyshit. 72 km und 980 Hm.


21.07.22

 

Es war eine gute Entscheidung, hier in Bischofsgrün in einer Pension zu nächtigen. In den frühen Morgenstunden hat es ein paar Regenschauer gegeben. Meine Wetterapp hatte davon allerdings mal wieder keine Ahnung gehabt. Wie so oft. Ich starte in den Tag und rolle ca. sieben Kilometer lang auf einem Radweg hinunter nach Goldmühl. Unten angekommen setzt Regen ein. Klar, ich muss ja jetzt nur auf offener Straße über eine langgezogene Bergkuppe radeln, um mein Frühstücksziel Goldkronach zu erreiche. Fluchend schnaube ich mich im stärker werdenden Regen die Kurven hinauf. An einem Hochstand stoppe ich jedoch, da der Regen zu stark wird. Nach einer kurzen Zwangspause nutze ich ein regenärmeres Zeitfenster um die zwei Kilometer bis Goldkronach zurückzulegen. Leicht durchnässt erreiche ich den Ort. Bei einem Bäcker im Ortszentrum finde ich unter Markisen Platz und gönne mir ein üppiges Frühstück. „Wetter online“ verspricht mir, dass es nur noch eine Stunde regnen soll und danach für den Rest des Tages freundlich wird. Diesmal lügt die App nicht. Gegen halb elf setze ich mich wieder in Bewegung. Es geht durch bayrische Dörfer und einen langgezogenen Berg hinauf. Danach rolle ich an der Bundesstraße entlang hinunter nach Bayreuth. Eine schöne Stadt. Jedoch treibt mich eher der Hunger ins Zentrum selbiger. Für Veganer wie mich bieten Städte einfach mehr Möglichkeiten bei der Essenswahl. Ich lasse mich in einer Pizzeria nieder und esse eine vegane Pizza. Traumhaft. Nach der Stärkung rolle ich gemütlich durch die Straßen und Gässchen der Stadt, bevor ich diese in Richtung Kronach verlasse. Die Strecke bis dahin ist wenig spektakulär. Und Kronach möchte ich einfach nur nutzen, um den Zug bis Bamberg zu nehmen. Schließlich bin ich die Strecke erst vor einem Monat entlang geradelt.

Der Zug hat Verspätung, was mir in die Karten spielt. Dadurch erreiche ich ihn just in dem Moment, als ich das Bahngleis betrete. Knapp eine Stunde später erreicht der Zug Bamberg, wo ich ihn verlasse und mich auf den Weg nach Prölsdorf begebe. Bei großer Hitze geht es entlang des Main-Donau-Kanals und der Donau, wo ich in Viereth abbiege Richtung meines Zielortes. Ich bin froh und sehr gespannt was und wer mich da erwartet, da ich das erste Mal auf diesem Festival bin. Aber ein paar Bekannte, sowie befreundete Bands werde auch kommen, also was soll schon schief gehen? Das Einzige, was ich wirklich nicht auf dem Schirm hatte, ist der Steigerwald. Geht es anfangs noch gemach dahin, so ändert sich das schnell und vor mir und meinem Ziel liegen zwei „Endgegner“. Der Erste zwingt mich mit seinen 17 % Steigung sofort zum Absteigen und Schieben. So schiebe ich fluchend die enge Straße hinauf und beschimpfe jedes Auto, das sich an mir vorbei quetscht. Obendrein ist es sch... heiß. Oben angekommen entledige ich meines Shirts, schwinge mich wieder in den Sattel und trete wieder in die Pedale. Den zweiten Endgegner bezwinge ich per Rad und mit einem Mittelfinger am Bergende. Jetzt rolle ich endlich hinab nach Prölsdorf. Ein Ort mit 300 Einwohnern, einer Kneipe, einer Mini-Pizzeria, einer Feuerwehr und einem Fußballverein. Na ja, ich werde ja sehen, denke ich. Ich rolle in den Ort und folge den Schildern zum Sportplatz. Als ich diesen erreiche und auf das Festivalgelände fahre, werde ich begrüßt mit: „Ah servus, du bist bestimmt der Fotograf!“. Ich staune nicht schlecht. Aber klar, in einem Dreihundert-Seelen-Dorf spricht sich so etwas schnell herum. Die erste Frage, die ich danach gestellt bekomme, ist: „Du schaust durstig aus, moagst a Bier?“ Ich muss fast lache und nehme das Angebot dankend an. Dann stellen sich alle nach und nach vor. Basti, Stefan, Jackl und wie sie nicht alle heißen. Alle sind mega nett. Schnell kommen wir ins Gespräch und es wird viel gelacht. Untergebracht werde ich bei Stefan, einem sehr netten, etwas älteren Herrn. Er zeigt mir die Unterkunft und lädt mich auf zwei weitere Bier ein. Die Unterkunft ist super, mit Küche und Allem, was man(n) benötigt. Obendrein hat Stefan den Kühlschrank auch schon „präpariert“.

So nimmt der Abend seinen Lauf, wie man sich vorstellen kann. Zusammen mit zwei Bands, welche auf dem Zeltplatz spielen, den Einwohnern und den ersten Besuchern wird es eine wilde und laute Nacht, welche bis in die frühen Morgenstunden geht. Na, das kann ja was werden.


22., 23. und 24.07.22

 

Auf das Festivalwochenende möchte ich hier gar nicht so explizit eingehen, da es hier vorrangig um die Radreise gehen soll. Aber so viel sei gesagt, es war mega lustig und es gab das ein oder andere Kaltgetränk. Ich habe viele neue Leute kennengelernt und mich absolut wohl gefühlt. Das Line Up mit Bands wie Risk It, Dagger Threat, Clowns, Slime und vielen mehr hielt, was es vorab versprochen hatte. Und entgegen einigen vorherigen Meinungen fand ich es wirklich super und komme definitiv wieder. Es ist ein D.I.Y.-Festival, bei dem das ganze Dorf involviert ist. Das schafft eine familiäre und entspannte Atmosphäre, und nachmittags tollen viele der Dorfkids auf dem Gelände umher. Ich mag so was und möchte an dieser Stelle nochmals allen danken, die mich unterstützt haben und mir Obdach gewährt haben übers Wochenende (inklusive Semmeln, Bier und veganen Köstlichkeiten). Ich habe mich so wohlgefühlt, dass ich Sonntag noch geblieben bin. Ok, bissl Hangover hatte ich sicher auch. Und wenn man erst nachmittags um zwei erwacht, braucht man eh nicht mehr los radeln. Aber den Tag verbringe ich hier gern noch.

Danke, „Krach am Bach“!


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