· 

Uganda mit Skate Aid 23 - Teil 1

Uganda`s calling


Es ist Anfang Juli 2023. Meine Sachen sind gepackt und ich bin bereit zur Abreise. Doch anders als
ich noch bis vor einer Woche geplant hatte, haben sich meine Reisepläne spontan geändert.
Eigentlich wäre ich heute mit dem Fahrrad zu meiner jährlichen „Punk`n´Gravel“-Tour
aufgebrochen. Plan war es, vom Harz aus über das Krach am Bach Festival in Bayern und das
Distruggi la bassa Festival in Italien zum Punkrock Holiday Festival nach Slowenien zu radeln.
Also ähnlich wie im letzten Jahr. Jedoch hatte ich vor einer Woche mit Tobi von Skate Aid
telefoniert. Und bei diesem Gespräch hat sich die Möglichkeit herausgestellt, dass ich, wenn ich
denn wolle, ein gern gesehener Gast im Rahmen einer Sondierungsmission beim nächsten
zehntägigen Abstecher von Skate Aid nach Uganda wäre. Skate Aid (SA) möchte im Rahmen dieser
Mission versuchen, unter der Leitung des UNHCR im Norden des Landes den aus dem Südsudan
vor dem Bürgerkrieg geflüchteten Kindern diverse Möglichkeiten zum Skaten zu schaffen. Doch
wie genau – dazu später mehr. Natürlich musste ich nicht zweimal überlegen. Nur würde meine
Radreise darunter leiden, und müsste nun etwas verkürzt werden. „Drauf geschissen“, dachte ich,
„radeln kann ich noch genügend.“ Aber etwas so Wichtiges dokumentieren zu dürfen, das passiert
nicht alle Tage. Und Skate Aid zu supporten ist mir eine Herzensangelegenheit.
Die gepackten Sachen schmeiße ich also in meinen klapprigen, fahrbaren Untersatz und mache mich
auf den Weg nach Münster. Dort treffe ich mich mit Tobi und Gabu und von da aus geht es dann am
nächsten Tag via Zug nach Frankfurt, von wo aus wir nach Kampala, Uganda fliegen werden.
Die Fahrt verläuft reibungslos und unser Dreier Wiedersehen in Münster ist einfach nur herzlich. Es
gibt viel zu erzählen und auch das ein oder andere Kaltgetränk.
Der Geschmack nach diesem am nächsten Morgen lässt erahnen, dass es wohl doch etwas später
wurde letzte Nacht. Ein Frühstück, einige Formalitäten und ein paar Besorgungen später stehen wir
voll bepackt am Münsteraner Hauptbahnhof. Tatsächlich pünktlich fahren wir ab und erreichen
cirka drei Stunden später den Frankfurter Flughafen. Die letzte Etappe dieses kleinen
Reisemarathons startet dann kurz nach acht Uhr abends mit dem Flug nach Kampala.
15 Stunden später setzt der Flieger ohne Zwischenfälle am Nachmittag des nächsten Tages auf
ugandischem Boden auf. Erste Gerüche einer anderen Welt durchdringen meine Nase. Ein Gemisch
aus warmer, feuchter Luft, der umliegenden Vegetation, und na klar, Kerosin und Müll.

Schnell bringen wir die Passkontrolle hinter uns und auch unser Gepäck wird vollzählig aus dem
Bauch des Flugzeugs auf das Gepäckband „gespuckt“. Wir quetschen uns vorbei an unzähligen
Taxi- und Hoteltransferfahrern, hinaus aus dem Ausgang des Flughafens. Dort auf dem Parklatz ruft
schon eine uns bekannte „Mickey Mouse“-Stimme laut „SKATE-AID!“ Es ist Kanaan, unser Fahrer
und guter Freund, welcher uns jedes mal in Uganda fährt. Mit einem „Hello my friends, how are
you?“ und einer Umarmung heißt er uns drei herzlich willkommen. Jetzt steht uns nur noch eine
Stunde Taxifahrt zu unserer Unterkunft, Hugos und Lucias Wohnung, zwei weiteren Skate Aid-
Volontären, bevor. Doch am Ende werden daraus mal wieder 2,5 Stunden. Es ist nämlich Rushhour
und absolut nichts geht mehr in Kampala. Kein Quadratmeter Straße ist mehr frei. Jede kleinste
Lücke wird sofort von einem Mopedfahrer geschlossen, egal in welche Richtung dieser auch will.
Ein heilloses Durcheinander, durch das sich sogar noch Spezialeinheiten des Militärs, zu Fuß und
bewaffnet mit schweren MGs, den Weg bahnen. Zu welchem Zweck auch immer. Eine bizarre
Situation, die uns drei erkennen lässt: Welcome to Uganda. Hugo und Lucia warten schon auf uns und nach kurzem „Hallo“ beschließen wir, direkt nochmal
hinunter zum Skatepark im Slum von Kitintale zu fahren. Für diejenigen, die noch nie von diesem
gehört haben: es handelt sich hierbei um ein im Jahre 2012 gestartetes SA-Projekt, das mittlerweile
zu einem Vorzeigeprojekt geworden ist. Was die Arbeit von SA bewirkt, wird einem dort am besten
gezeigt. Die Wohnung von Hugo und Lucia liegt gleich am Rand des Slums und somit nur zehn
Minuten Fahrt entfernt. Wir schwingen also unser Zuckerärsche gleich wieder ins Auto und holpern
über die sogenannten Straßen des Slums hinab zum Park. Je mehr „Mosungu, Mosungu“-Rufe wir
hören, desto näher kommen wir. Im Park tollen unzählige Kinder umher. Nix Außergewöhnliches.
Doch es hat sich einiges verändert. Es gibt eine neugebaute Bibliothek, einige neue Rails, eine
Miniramp und einige Betonflächen mehr. Viele Bekannte sind auch vor Ort. Peter, Texus, Hellen,
Richard, Jackie, Siraje, und und und.... Alle sind gekommen, um Hallo zu sagen. Es werden
Neuigkeiten ausgetauscht und es wird viel gelacht und gescherzt. Man muss diese Menschen, mit all
ihrer Herzlichkeit einfach lieben. Doch Dunkelheit und Müdigkeit machen sich langsam breit und
wir beschließen, den Abend bei Kikomando, einem einheimischen Bohnengericht, und Bier in der
Wohnung unserer beiden Volontäre ausklingen zu lassen.

Der nächste Tag ist ein entspannter. Nach dem gemeinsamen Frühstück widmen sich Hugo, Lucia
und meine beiden Begleiter ihren administrativen Aufgaben, welche für unseren bevorstehenden
Trip in den Adjumani Distrikt, im Norden des Landes noch notwendig sind. Ich widme mich
ausgiebig Yoga und Stretching. Nach dem Mittag lassen sich Tobi und ich von Peter, einem unserer
Locals vor Ort, zu Fuß hinunter zum Skatepark führen. Unterwegs wollen wir ein wenig knipsen.
Ohne Peter wären wir auch leichte Beute und in den Wirren des Slums hoffnungslos verloren. Es ist
ein ruhiger Spaziergang, da die meisten Kids in der Schule sind, und die Erwachsenen meist auch
ihrer Arbeit nachgehen. Hütte an Hütte stehen die Behausungen hier. Zwischen ihnen schlängeln
sich ausgespülte, verschlungene Wege hindurch, deren Existenz wahrscheinlich nicht mal Google
Maps bekannt sein dürfte. Immer wieder werden wir begleitet von einzelnen „Mosungo“-Rufen, der
kleineren Kinder. Mosungo heißt übersetzt soviel wie Weißbrot, allerdings nicht böse gemeit. Erwachsene lächeln uns meist freundlich zu. Fast unvorstellbar, das es nachts hier wirklich gefährlich ist. Besonders natürlich für Weißbrote wie uns.
Etwa eine halbe Stunde später, wir sind ein paar Umwege gelaufen wegen der Fotos, erreichen wir
den Park. Zu dieser Zeit ist es hier noch ruhig und so suchen wir uns ein schattiges Plätzchen.
Immer wieder kommen Bekannte dazu, um uns erneut zu begrüßen. Ansonsten genießen wir die
friedvolle Atmosphäre, die hier gerade herrscht. Im Laufe des Nachmittags füllt sich der Park dann
zunehmend. Zuerst sind die Kleinen dran, welche herumtollen und spielend durch das Areal toben.
Danach wird für die etwas älteren Kids der Raum mit den Boards, Helmen und Schonern geöffnet,
und somit ist die Skatesession eröffnet. Ab jetzt ist das „Klackern“ der Skateboardräder das
dominante Geräusch im Park. Und es wird erst spät abends wieder verstummen. Immer mehr Leute
kommen nach und nach dazu. So zum Beispiel auch Siraje, welcher eben von Schule eingetrudelt
ist. Er verliert keine Zeit, zieht sich Schoner und Helm an und legt los. Siraje ist wahrscheinlich der
beste Skater in Kitintale. Ihm zuzuschauen ist immer wieder beeindruckend. Ohne jegliche Angst
haut er sich jedes mal aus Pipe oder Bowl in luftige Höhen, dass einem der Atem stockt. Genauso
beeindruckend wie er skatet, ist seine Geschichte.

Er war ein kleines Kind, als er die ersten Male in den Skatepark kam und dort von den Volontären
das Skaten lernte. Eines Tages blieb er abends einfach im Park sitzen. Die Älteren fanden ihn und
brachten ihn zu Jack, dem Projektleiter vor Ort, Gründer des Parks und irgendwie auch inoffizieller
Bürgermeister des Slums. Dieser nahm Siraje, der angab keine Eltern zu haben, in seine Obhut. Er
brachte ihm das Skaten bei, gab ihm Essen und ein Dach über dem Kopf. Von seinen leiblichen
Eltern hörte er nichts, nicht einmal eine Vermisstenanzeige gaben sie jemals auf. So vergingen
einige Jahre. Siraje wurde richtig gut. So gut, dass er irgendwann an einem nationalen Skate Contest
teilnahm, und in seiner Altersklasse, mit Abstand gewann. Das Preisgeld von ca. 300 Euro, behielt
Jack, um davon drei Jahre Schulbildung für Siraje bezahlen zu können. Jedoch sahen seine Eltern
die Übertragung des Contests im Fernsehen und meldeten sich prompt. Allerdings ging es ihnen nur
um das Preisgeld, welches sie haben wollten. Daraufhin wurde Jack verhaftet und drei Tage lang
verhört. Ihm wurde vorgeworfen, er hätte das Preisgeld für sich eingestrichen. Allerdings konnte
man die Wahrheit nachweisen und er wurde wieder freigelassen. Damit ihm das nicht nochmal
passieren sollte, entschied er sich für einen konsequenten, für ihn nur logischen Schritt. Er
adoptierte Siraje. Solche Zwischenfälle sollte von nun an der Vergangenheit angehören. Tja,
dagegen werden unsere Sorgen echt winzig, oder? Und jetzt kommt´s: Siraje hat dieses Jahr an den
Vorausscheidungen in Frankreich für die nächsten Olympischen Spiele teilgenommen. Zwar war
das Level zu hoch, aber allein die Möglichkeit zu haben, wäre für ihn vor ein paar Jahren undenkbar
gewesen.

Mittlerweile ist es richtig voll im Park. Alle bekannten Gesichter, inklusive Gabu, Hugo und Lucia sind jetzt vor Ort. Es wird ein lustiger Abend, an dem viel geskatet, fotografiert, getrunken und vor allem gelacht wird. Und auch Hugo hat noch eine Überraschung. Er hat Strahler mit Solarpaneel
besorgt, welche von nun an den Park in den Abendstunden mit Licht fluten sollen. Das ist das
nächste Level. Von nun an können die Kids bis in die Nacht hinein skaten. Auch wir genießen
diese neue Atmosphäre, bevor wir uns gegen neun auf den Heimweg machen. Schließlich startet morgen unsere Mission in den Norden.

Um 6:00 Uhr sind alle von uns schon auf den Beinen. Die anderen sind noch am packen, während ich Kaffee koche und mir hektisch ein paar wenig schmeckende Nudeln, Typ „Ugly e Olio“ zubereite.
Naja, Hauptsache was im Magen. Die Hektik des Aufbruchs kommt mir entgegen und so muss ich
die Nudeln nicht aufessen. Unten im Hof wartet bereits unser Fahrer Asaad, zusammen mit Peter
und Helen, zwei unserer Volontäre, welche mit uns mitfahren werden. Los geht es. Unser Taxi bahnt sich den Weg durch den Smog des morgendlichen Verkehrs Kampalas. Es ist gerade einmal 7:00 Uhr,
aber gefühlt ist die gesamte Stadt auf den Beinen bzw. auf Achse. Nur schleppend erreichen wir die
Tankstelle an der die anderen Volontäre zu uns stoßen. Ab hier wird es langsam dörflicher. Von nun
an folgen wir einer kilometerlangen geraden Straße, welche uns bis ins 300 Kilometer entfernte
Gulu führen wird. Ich, der grauhaarige Alte, darf natürlich vorn sitzen. Und obwohl die Straße nur
geradeaus führt, wird es mir nie langweilig. Es gibt so viel zu sehen. Menschen, welche auf ihrem
Weg zur Arbeit oder wohin auch immer an den Straßenrändern laufen. Kleine bunte Häuser,
winzige Geschäfte und zahlreiche Bretterbuden prägen die Landschaft links und rechts der Straße.
Die Menschen lächeln und winken uns größtenteils zu, da unser Kleinbus als Touristenbus für
Einheimische sofort erkennbar ist. Die afrikanische Fahrweise ist, sagen wir mal, sportlich.
Überholt wird, wo Platz ist. Aber Asaad ist ein guter Fahrer und ich nicke sogar irgendwann ein.
Irgendwann erreichen wir Gulu, wo wir uns zuerst mit Nelson und Charlotte von der Gulu
Skateboard Community treffen. Diese ist vernetzt mit unseren Leuten in Kampala, und auch hier in
Gulu soll irgendwann in der Zukunft ein Skatepark entstehen. Allerdings soll dies weitestgehend in
Eigenregie und in Zusammenarbeit mit unseren Jungs und Mädels der Uganda Skateboard Union
(USU) passieren. Nach einem gemeinsamen Essen und der Besichtigung einer geeigneten
Betonfläche fahren wir weiter zu einem Recyclingbetrieb. Dort treffen wir uns mit Jack, welcher bereits mit einem LKW seit zwei Tage hier ist. Hier wurde unsere portable Miniramp mit ein neuen Belag aus recyceltem Kunststoff versehen und ist nun transportbereit für unsere Mission in
Adjumani.

Nach dem Verladen der Miniramp geht unsere Reise weiter. Es sind noch 150 Kilometer bis zu
unserem Ziel, dem UNHCR Hauptquartier in Adjumani. Die Landschaft wird deutlich
„afrikanischer“. Überall am Straßenrand sieht man jetzt kleine Lehmhütten stehen. Mal einzeln, mal
kreisförmig mit Feuerstelle in der Mitte, meist umrahmt von üppigem Grün. Am Horizont zeichnen
sich Berge ab. Auf der Straße, welche immer noch schnurstracks gerade aus führt, häufen sich die
Polizeikontrollen. Und natürlich werden auch wir irgendwann gestoppt. Unser Fahrer soll eine
Strafe zahlen, da er nicht seinen originalen Führerschein dabei habe. Peter erklärt uns, dass die
Polizei diesen allerdings, wenn unser Fahrer ihn dabei hätte, zerreißen würde, um dann zu
behaupten, er hätte keinen dabei. Es geht am Ende einzig und allein um Geld für die Polizisten. Und
nach einigen Diskussionen und ein paar den Besitzer wechselnden Geldscheinen später dürfen wir unsere Fahrt fortsetzen. Jetzt sind wir wohl endgültig so richtig in Afrika angekommen.
Gegen Sonnenuntergang erreichen wir endlich unser Ziel, das UNHCR Hauptquartier. Hier werden
wir die nächste drei Nächte untergebracht sein. Das Camp gleicht, verglichen mit Kampala, einem
Feriencamp. Allerdings war es Bedingung der Mission, dass wir hier untergebracht werden. Wir
treffen Iris, die Bezirksleiterin des UNHCR und verabreden uns mit ihr zum Abendessen und
einem ersten kurzen Briefing beiderseits. Iris erweist sich als sehr nette und überaus kompetente
Frau. Sie erklärt uns die Rahmenbedingungen und wir unterrichten sie davon, was genau wir
vorhaben. Dabei wird auch viel gescherzt und gelacht. Die weiteren Details wollen wir jedoch am
morgigen Tag besprechen. Und so lassen wir mit ein, zwei Kaltgetränken den Abend gemütlich
ausklingen.

Ich habe gut geschlafen in meinem Bungalow namens „Elephant“. Um 7:30 Uhr treffen wir uns alle
zum gemeinsamen Frühstück, bevor wir mit allen Unterstützern und Verantwortlichen unserer
Mission verabredet sind. Bei einem Meeting werden dann alle Details zu der bevorstehenden
Sondierungsmission besprochen. Unser Ziel ist es, wie bereits im Groben erwähnt, hier im Norden
Ugandas neue Projekte für die Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem 20 Kilometer entfernten Südsudan, zu verwirklichen. Hier im Adjumani Distrikt leben ca. 200 000 Menschen. Seit Beginn des Bürgerkriegs im Nachbarland leben hier allerdings zusätzlich noch 220 000 Flüchtlinge. 85% sind Frauen und Kinder, von denen 70 % elternlose Kinder sind. Was für eine irre Zahl! Diese Flüchtlinge leben nicht etwa in Camps, sondern in sogenannten Settlements, also kleinen Siedlungen, welche sich inmitten oder in direkter Nachbarschaft zu den Siedlungen der Einheimischen befinden. Probleme gibt es untereinander nahezu keine. Man ist solidarisch mit den Nachbarn, welche vor Jahren zu Zeiten des ugandischen Bürgerkriegs genauso hilfsbereit waren. Allerdings fehlt es den Geflüchteten trotzdem an Vielem. Dazu haben viele der Kids traumatisches erlebt. Hier wollen wir versuchen „anzugreifen“. Wir wollen mobile Skateparks schaffen, also Container mit komplettem Skatematerial, angefangen von Obstacles, über Helme, Schoner und Boards. Obendrein sollen unsere Volontäre aus Kampala die Projekte betreuen und den Kids zur Seite stehen. Soll heißen, die Kids sollen einen Hauch einer normalen Kindheit durch das Skaten erfahren dürfen. Von dem, was Skaten noch so mitbringt, ganz zu schweigen. Nicht umsonst ist unser Leitmotto „Wir machen Kinder stark!“. Und wer sich mit Skate Aid auch nur ein wenig beschäftigt hat, weiß das Skaten ein sehr gutes Mittel dazu ist.
Aber natürlich ernten wir auch hier beim Meeting erst einmal skeptische Blicke und es werden die
üblichen Fragen gestellt. Warum Skateboarden? Ist da auch für Mädchen? Ist das nicht gefährlich?
Und so weiter. Alles Fragen, die uns bei jedem anderen Projekt vorher auch immer gestellt wurden
und werden. Aber diese Fragen können wir bestens beantworten und auf unsere Erfahrungen
verweisen. Und da für den Nachmittag und den morgigen Tag drei Vorführungen unsererseits
geplant sind, sind wir guter Dinge dass die meisten danach wissen, was und warum wir das tun.
Mit ins Boot wollen wir immer einige lokale Partner holen, welche gut zu uns passen. Zum Beispiel
Artolution, welche mit Kids Graffiti- und andere Workshops durchführen. Die Partner variieren von
Projekt zu Projekt. Nach dem Darstellen unserer Vision und was das Bestreben des UNHCR ist, brechen wir auf zum Bezirksvorsteher das Adjumani Distrikts, um mit ihm unser Vorhaben detailliert zu besprechen und um zu sehen, welche Möglichkeiten der Hilfe er uns schlussendlich bieten kann. Natürlich herrscht auch hier erst einmal Skepsis. Aber das war zu erwarten. Das Gespräch ist ziemlich trocken und der Herr macht eher einen gezwungenen Eindruck. Aber er ist offen für unser Vorhaben.

Nach diesem trockenen Teil fahren wir hinaus zu einem nahegelegenen Fußballfeld. Dieses
erscheint den Verantwortlichen als geeignet für unser Vorhaben. Wir jedoch müssen feststellen, dass
es nur bedingt geeignet ist. Vor allem ist es für die meisten der Flüchtlinge zu weit weg oder zu
schwer zu erreichen. Auch ein weiterer Ort, den wir aufsuchen, erweist sich eher als ungeeignet.
Also setzen wir unsere Reise fort. Über ein weit verzweigtes Netz an Wegen aus roter Erde geht es
zu einer ca. 15 km entfernten Schule. Abseits der Hauptstraßen sehen alle Straßen hier so aus.
Beiderseits der Straße sind wieder unzählige Menschen unterwegs, die alles Mögliche von A nach B tragen. An der besagten Schule angekommen, werden wir schnell als Attraktion ausgemacht.
Gerade ich mit meinen Tattoos bin für die meisten eine wahrscheinlich noch nie da gewesene
Erscheinung. In Sekunden sind wir umringt von den Kids. Wir bahnen uns den Weg vom Auto zu
einem nahegelegenen Basketballplatz. Dabei rubbeln und ziehen die Kids immer wieder an den
Tätowierungen meiner Arme und Beine, um zu prüfen, ob das nicht vielleicht doch Sleeves sind
oder ob sich das nicht doch eventuell wegwischen lässt. Auf dem Basketballfeld haben unsere
Locals bereits die Miniramp und einige kleine Obstacles aufgebaut und auch die Ausrüstung bereit gelegt. Die Kids, welche lautstark um uns herumtollen, werden rings um das Feld aufgestellt. Es sind locker 200 – 300, vielleicht auch mehr.

Dann folgt eine kurze Vorstellung unserer Personen und was wir gleich machen. Und dann geht es los. Unsere Jungs starten mit einer Vorführung ihrer Skatekünste. Frenetisch wird jede ihrer Aktionen bejubelt und beklatscht. Bei jedem Sturz lachen die Kids lauthals los.

Die meisten von ihnen haben wahrscheinlich so etwas noch nie in ihrem Leben gesehen. Obendrein noch Weiße, tätowierte Menschen. Aber auch für mich ist es unglaublich, das sehen zu dürfen. Ich bin echt gerührt und Tränen kullern mir aus den Augen, als Gabu jedes Mal mit Absicht stürzt und die Masse das lautstark mit frenetischem Lachen feiert. Auch die mitgereisten Verantwortlichen staunen nicht schlecht, als sie die Begeisterung der Kinder sehen.
Diese wird noch größer, als wir sie einladen, sich selbst am Skaten zu probieren. Allerdings bricht
sofort ein heilloses Durcheinander aus, als die Kids die Betonfläche stürmen und sich auf die
Boards stürzen. Mit Mühe und Not schaffen wir es, das Ganze wieder aufzulösen und in geordneten
Bahnen stattfinden zu lassen. Sie bekommen gruppenweise Helme und Schoner angezogen, sowie einen unserer Locals an die Hand. Schließlich möchten wir auch nicht, dass sich jemand verletzt, da es hier nicht wirklich gut aussieht in Sachen ärztlicher Versorgung.
Fakt ist, die Kids haben einen Heidenspaß. Und egal was am Ende passieren wird, das werden die
Anwesenden nicht wieder vergessen. Viele geben uns das auch zu verstehen und fragen immer
wieder ob und wann wir wiederkämen. Soviel zu den Bedenken der Verantwortlichen. Auch diese
sind begeistert von dem, was hier gerade passiert. Nach ca. 2 Stunden müssen wir allerdings wieder
alles zusammenpacken, um uns wieder auf den Rückweg zur Unterkunft zu machen. Schnell ist
alles wieder verpackt und die Miniramp auf den LKW verladen. Kurz darauf verlassen wir das
Schulgelände, begleitet vom Winken und Rufen unzähliger Kinder.
Auf der Rückfahrt bin ich voll geflasht und noch in Gedanken bei dem, was ich da gerade erleben
durfte. Irgendwann in der eintretenden Dämmerung erreichen wir das Camp, wo wir Abendessen
und die Ereignisse des Tags besprechen, bevor wir nochmal aufbrechen, raus in die Stadt, um mit
allen etwas trinken zu gehen.
Kurz frisch gemacht und dann starten wir in die Nacht. Asaad, unser Fahrer, bringt uns zu einem
Lokal in der Stadt, das er für geeignet hält. Wir sind eh nicht sonderlich wählerisch. Mitten im
Zentrum der Stadt, an einer staubigen Straße hält er und führt uns in ein nettes Lokal. Wir bestellen
ein, zwei Kaltgetränke und nach und nach trudeln auch alle anderen ein. Es wird ein lustiger Abend.
Wir lachen sehr viel und diskutieren über dieses und jenes. Und na klar, kommt es wie es kommen
musste: während alle anderen nach einer Weile das Lokal wieder verlassen, versacken Gabu und ich
komplett. Was für eine bizarre Situation. Zwei Weißbrote mitten im Nirgendwo im Norden
Ugandas, 20 Kilometer vom Südsudan entfernt, in dem noch immer Bürgerkrieg herrscht. Aber ich
liebe diesen Typen. Wir quatschen über Gott und die Welt, und keiner beachtet uns sonderlich.
Außerdem patrouillieren überall Securitys, bewaffnet mit AK47, die Nachbarschaft. Was soll also passieren :/

Ende Teil 1. Verpasse nicht Teil 2...;)

Hier noch eine kleine Fotogalerie mit weiteren Impressionen...

Kommentar schreiben

Kommentare: 0