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Punk´n Gravel 2023 - Teil 2

Wider Erwarten ist es am nächsten Morgen trocken. Auch mein Zelt. Also packe ich meine Sachen
und quäle mich wieder hinaus aus dem Wald hoch Richtung Grenze. Wie am Vorabend erahnt
macht das Ganze nicht wirklich Spaß. Aber was anderes bleibt mir nicht übrig. Ich passiere die
Grenze und befinde mich nun in Österreich. Ich folge der wenig befahrenen Straße. Es geht immer
leicht auf und ab, durch kleine Ortschaften und vorbei an Feldern und Weiden. Nach ca. 20
Kilometern finde ich mitten im Nirgendwo eine „Radtankstelle“. Wer auch immer sich diese kleine
Art Werkstatt ausgedacht hat, ich finde die Idee klasse. Es gibt einen Radständer, verschiedene
Schläuche, diverses Werkzeug, sowie Öl und Kettenfett. Ich nutze das Angebot und reinige meine Schaltung und die Kette. Dann trage ich mich ins Gästebuch ein und lege einige Euro in die Kasse des Vertrauens. Danach radel ich weiter nach Weirra, wo ich eine kleine Pause einlege, um etwas zu essen.

Nach dem ich mich gestärkt habe, führt mich meine Reise weiter durch´s österreichische
Brandenburg. Die Landschaft ist geprägt von Landwirtschaft und nicht sonderlich faszinierend.
Einziger Unterschied zum „richtigen“ Brandenburg ist, das es hier Berge gibt. Und auch wenn diese
im ersten Moment nicht sonderlich steil aussehen und ich dieses anfangs noch weg lächle, so fangen
sie doch irgendwann an mich zu zermürben. Schimpfend meistere ich jedoch irgendwie dieses
ständige auf und ab, bis ich die Stadt Gröhl erreiche. Doch das Schlimmste des heutigen Tages ist geschafft. Nach zwei Hopfenschorlen geht es nur noch bergab. Der weiter Weg führt mich durch
kleine Dörfer bis nach Krems an der Donau. Dort gehe ich kurz einkaufen, um danach die letzten 4
Kilometer bis zum Zeltplatz zu radeln. Mit Kartoffelsalat, Gösser Märzen und dem Blick auf
Schloss Dürnstein endet der erste trockene Radtag meiner Reise.

Heute wird mich meine Tour bis nach Wien führen. Das Wetterradar sagt mal mal wieder Regen
vorher. Also buche ich vorab ein Hotel. Ich breche also auf und folge dem Donauradweg. Dieser ist
einer der bekanntesten Radwege Europas und dementsprechend gut ausgebaut. Allerdings auf
diesem Abschnitt auch ziemlich eintönig. Links Wasser, rechts Damm, auf Damm Radweg, fertig!
Einzige Abwechslung mal wieder das Wetter. Regen, Sonne, Sonne, Regen... Klar, dass da keine
Wetterapp mitkommt.
Wenig unspektakulär, dafür relativ zügig lege ich die 90 Kilometer bis in die österreichische
Hauptstadt zurück. Ich nutze meine frühe Ankunft, um mein Rad nochmals etwas zu reinigen und
mir einen Powernap zu gönnen. Am Abend begebe ich mich auf Nahrungssuche und werde einige
hundert Meter weiter bei einem Dönerimbiss fündig. Nachdem ich gegessen habe wechseln ich in die nett aussehende Kneipe nebenan für ein Kaltgetränk. Ich setze mich dazu an einen der auf dem Bürgersteig stehenden Tische, mit Blick auf einen U-Bahn Ausgang. Was dann passiert haut mich fast vom Stuhl und kommt aus dem Nichts. Aus der U-Bahnstation kommt ein Pärchen, und ich meine die Frau zu kenne. Und tatsächlich, es ist meine allererste längere Freundin, aus dem Erzgebirge, die jetzt hier lebt. Krass. Sie erkennt mich ebenfalls gleich und wir fallen uns in die
Arme. Wir haben uns seit 1998 nicht mehr gesehen. Natürlich gibt es mehr als genug zu erzählen.
Die beiden setzen sich spontan zu mir und wir quatschen uns förmlich in einen Rausch. Und wie
wir feststellen müssen, haben wir beide sehr sehr vieles erlebt. Auch sie führte, und führt wie ich,
bis heute kein „normales“ Leben. Wir haben erschreckend viele Gemeinsamkeiten und doch sind
unser beider Leben bis hierher so unterschiedlich verlaufen. Doch irgendwie ist es, trotz des ganzen
Erlebten, als hätten wir uns nie verändert. Auch ihr Freund passt wirklich in diese Welt, und wir
lachen wirklich viel. Stunde um Stunde vergeht. Erst als die Kneipe gegen 23:00 Uhr schließt,
trennen sich unsere Weg wieder.

Ich liege noch lange wach in dieser Nacht um das gerade eben zu verarbeiten. Da fahr ich mit dem
Rad nach Wien und treffen aus dem Nichts meine allererste Liebe. Das Leben macht schon
manchmal komisch Sachen. Mit einem Schmunzeln schlafe ich ein.
Gut ausgeruht starte ich in den nächsten Tag. Da mir der Donauradweg zu eintönig war, beschließe
ich mir für die Strecke nach Bratislava ein Bootticket zu kaufen. Ich frühstücke noch schnell und dann fahre ich zum Kanal, von dem aus, das Boot losfährt. Anfangs denke ich noch, dass das Boot nicht viele nutzen. Doch da täusche ich mich. Schnell werden es immer mehr Menschen an der Ablegestelle. Kurz vorm Ablegen herrscht rege Gedränge. Alle möglichen Menschen wollen ebenso in die Slowakische Hauptstadt. Vor allem aber Junggesell*innenabschiedsgruppen. Ne entspannte
Bootsfahrt geht anders. Aber egal. Nach dem Verlassen des Kanal auf die Donau ist es möglich auf Deck zu gehen und Getränke zu bestellen. Ich hole mir ein Kaltgetränk und schaue mir das bunte
Treiben der Gruppen draußen auf Deck an. Die meisten haben schon ordentlich einen sitzen. Ist ja
schließlich auch schon Mittag ;) Wie ich erfahre ist Bratislava, wie Hamburg oder Prag die
slowakische Hauptstadt der Junggesell*innenabschiede.

90 Minuten später legt das Boot an der Zieldestination an. Schnell belade ich wieder mein Rad, um Richtung Innenstadt zu fahren. Dort gönne ich mir ein ausgedehntes Mittagessen. Danach strampel ich noch hinauf zum Schloss von Bratislava. Bisher war das Wetter gut, und natürlich hat auch Wetteronline nichts anderes vorhergesagt. Doch oben am Schloss angekommen, ziehen dicke
Wolken auf und es dauert nicht lange bis die ersten Tropfen vom Himmel fallen. Und was anfangs
noch recht moderat ist, und mir noch erlaubt Bilder zu machen, wird schnell zu einem Regenguss
allererster Güte. Ich muss mich in einen Durchgangstunnel flüchten, um nicht vom Blitz getroffen zu werden oder binnen Sekunden durchgeweicht zu sein. Schönen Danke auch, du dämliche App denke ich mir erneut.
Fast eine Stunde schüttet es wie aus Eimer, bevor es abrupt aufhört. Erst dann kann ich meinen Weg
fortsetzen. Über die Donau, entlang einer Hauptstraße und durch Plattenbausiedlungen geht es hinaus aus der Stadt. An den Stadträndern ist es ruhiger aber auch „rougher“. Es sieht aus wie
typisch Ostblock, verfallen aber mit eigenem Charme. Jedoch nicht wirklich einladend. Die Straße
wird schmaler und ich passiere die Grenze zurück nach Österreich. Weiter führt mich meine Fahrt
vorbei an Feldern und etlichen Windrädern. Immer wieder durchfahre ich kleine Ortschaften, die
geprägt sind von Landwirtschaft. Über ein Netz aus verzweigten kleinen Teer- und Plattenstraßen
gelange ich nach Jois am Neusiedler See. Hier in der vom Weinanbau geprägten Tourismusgegend,
will ich zu Abendessen und mir einen Schlafplatz suchen. Ich lasse mich in einer kleinen Gaststätte
nieder und finde auf der Karte zu meiner Überraschung veganes Cevapcici. Dazu ein Kaltgetränk und ich bin happy. Jetzt brauche ich nur noch einen Schlafplatz. Ich frag die Bedienung des
Restaurants und die hilft mir prompt. Gegenüber des Restaurant befindet sich ein Weingut, in dessen Garten man Campen könne. Ich rufe dort an und reserviere mir einen Schlafplatz. So einfach
kann das Leben sein, herrlich. Ich begebe mich nach dem Essen zum Weingut, wo ich mein Zelt aufbaue. Leider verquatsche ich mich beim Aufbau mit zwei Pärchen aus Dresden, welche ebenfalls mit ihrem Campervans im Hof des Gutes stehen, um hier zu nächtigen. Als ich fertig bin, hat die Kneipe nebenan leider schon geschlossen. Doch gibt es hier in einem kleinen Schuppen selbstgemachten Wein und eine Kasse des Vertrauens. So gönne ich meinen Gesprächspartnern und mir ein Flasche des selbstgemachten Weins. Die Regenwolken, welche sich im Sonnenuntergang anbahnen, stören mich heute nicht mehr. Wäre ja nicht der erste Regen. Und auch wenn ich heute nur 65 Kilometer gefahren bin, so fühle ich mich doch ziemlich kaputt. Der Wein gibt mir dabei noch den letzten Rest, so das ich bald darauf in mein Zelt stolpere und friedlich einschlafe.

Ich erwache, wie nicht anders zu erwarten, mit einem ziemlichen Schädel. Bin ja auch kein
Weintrinker. Aber was solls, zumindest ist das Unwetter letzte Nacht doch an mir vorbeigezogen.
Allerdings beginnt es noch dem Einpacken meiner Sachen, dann doch leicht zu nieseln. Zählt nix,
ich muss weiter. Eigentlich wollte ich von hier aus direkt auf einen kurzen Abstecher zum Balaton
radeln. Aber irgendwie fühle ich mich heute nicht so gut. Noch dazu wechseln sich Nieselregen und
Sonne auf den ersten Kilometern ab. Dadurch ist es extrem schwül. Ich ändere erneut spontan
meine Route und fahre jetzt erst einmal, entlang der Weinberge am Neusiedler See, nach Sopron in
Ungarn.

Kurz nach der Grenze zu Ungarn stoppe ich an einem Freibad, um etwas zu essen und ein
Kaltgetränk zu mir zu nehmen. Ich merke wie mir die schwüle Luft zusetzt. Noch dazu verkündet
meine Wetterapp erneut starke Gewitter auf meiner weiteren Reise. Auch wenn es gerade sonnig ist,
so beschließe ich der Applikation zu „gehorchen“ und entscheide mich erneut für eine Abkürzung
mit der Bahn. Die ungarische Einöde möchte ich mir ebenfalls sparen, und lieber ein, zwei Tage
mehr Zeit in Slowenien haben. Ich beschließe ab Sopron den Zug bis Szombathely zu nehmen. Das
spart mir einen Tag und 75 Kilometer. Gegen 13:00 Uhr erreiche ich den Bahnhof in Sopron. Gegen
14:00 geht der Zug nach Szombarthely, wo ich gegen 16:00 ankomme. Eine typische Ostblock- Stadt, wie ich schnell feststellen muss. Plattenbauten, baufällige Häuser und schlechte Straßen. Schnell weg hier, denke ich und mache mich auf den Weg ins 63 Kilometer entfernte Öriszentpeter, einem Ort welcher zehn Kilometer vor der slowenischen Grenze liegt.
Ich stelle hier auch erneut fest, das Wetterapps wahrscheinlich alle von der Firma „Münchhausen“
entwickelt wurden, und Wetter nicht mal halb so gut vorhersagen können, wie Krake Paul die
Ergebnisse bei der Fußballweltmeisterschaft 2006. Dicke Gewitterwolken stehen am Himmel.
Jedoch regnet es nicht. Zumindest noch nicht.
Mein Weg führt mich über kleine Dörfer und einsame Straßen durchs ungarische Hinterland. Immer gefolgt von einer großen schwarzen Regenwolke, welch aber die gleiche Reisegeschwindigkeit wie ich zu haben scheint. Nach ca. 35 Kilometern melden sich erneut Hunger und Durst. Und auch die Regenwolke scheint Fahrt aufgenommen zu haben und hängt mir bedrohlich im Rücken. In Körmend, einer ungarischen Kleinstadt, mache ich ein Restaurant aus, in dem ich zumindest eine vegetarische Alternative, in Form von Pizza, finde. Der Radweg dahin ist allerdings irgendwie anders, und vorsichtig ausgedrückt, nicht ganz plan. Ich erreiche das Restaurant und genau zehn Minuten später sammeln sich gefühlt alle Regenwolken Ungarns über dem Restaurant. Ein bedrohliches Schauspiel. Doch es bleibt trocken, noch. Da die Wolkenfront genau in Richtung meines weiteren Weges zieht, nehme ich mir beim Essen bewusst Zeit und trinke vorsichtshalber noch ein Kaltgetränk mehr.

Aber irgendwas stimmt heute nicht. Ich fühle mich etwas schlapp und merke jetzt ein leichtes
Jucken im Hals. Na ja, die letzten 28 Kilometer sollte das schon noch gehen. Doch auf den letzten
Kilometern erwartet mich ein ständiges Auf und Ab. Wenn auch nicht steil, jedoch ziemlich nervig.
Und so verbrate ich dabei die letzten Körner. Erst gegen 20 Uhr erreiche ich den Ort, in dem ich
vorsorglich ein Hotel mit Frühstück gebucht hatte. Jetzt bin ich platt und freue mich über diese
Entscheidung. Gefühlt mit letzter Kraft erreiche ich die etwas in die Jahre gekommene Unterkunft.
Eine Kellnerin ohne Zähne spendiert mir bei der Ankunft einen selbst gebrannten, 0,2l großen
Schnaps und ein Bier. Sehr nett, denke ich. Allerdings zieht mir die Kombi an dem Abend komplett den Stecker. Eine Stunde später liege ich total breit im Bett.

Als ich am Morgen erwachen, ist mein Bett schweißgebadet und ich kann kaum schlucken. Mein Jucken im Hals hat sich über Nacht in ein ausgewachsene Mandelentzündung verwandelt. Der Hals ist dick und rot. Die Schmerzen beim Schlucken sind mir sehr vertraut, da ich hin und wieder einmal so etwas habe. Na klasse. Ich schleppe mich hinunter zum Frühstück. Es gibt BWK, Brot, Wurst und Käse. Jackpot. Wenn Scheiße, dann Scheiße mit Schwung. Ich esse widerwillig eine Käseschnitte und trinke Kaffee.

So kann ich unmöglich weiterfahren. Also beschließe ich noch ein bis zwei Nächte länger zu bleiben. Obendrein verordne ich mir Selbstisolation. Im Supermarkt nebenan kaufe ich Nudelsuppen und Weißbrot, sowie Kamillentee für die nächsten Tage. Zu meinem Glück gibt es eine Apotheke, in der ich Aspirin und Lutschpastillen bekommen. Im Hotel selbst, konfisziere ich den im Flur befindlichen Wasserkocher und schleppe ihn auf meine Zimmer.
Die folgenden Tage kann ich abkürzen. Sie bestehen aus Schafen, Kamillentee inhalieren, Schlafen, Nudelsuppe essen, Schlafen, Lutschpastillen und Aspirin einwerfen und wieder Schlafen. Dabei schwitze ich alles aus mir raus. Und so bin ich am dritten Tag soweit wieder fit, das ich mein Rad säubern und flott machen kann.

Allerdings habe ich jetzt drei Tage verloren. Also muss ich erneut Zug fahren, um die verloren Zeit
wieder aufzuholen. Das nervt dabei am meisten. Aber auch mein Zustand ist noch nicht wieder bei
hundert Prozent und so lasse ich Vernunft walten. Ich entscheide mich dafür mit dem Zug direkt bis
Ljubjana zu fahren. Von da aus will ich dann über Skofia Loka, weiter nach Norden bis nach
Kranjska Gora, wo ich mich mit meinen Kumpels treffen werde. So der Plan. Aber es wird auch
hier anders kommen.

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