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Punk´n Gravel 2023 - Teil 3

Am 02.08. morgens schwinge ich mich wieder auf´s Bike, um in 15 Kilometer entfernte Hodos, auf
slowenische Seite zu radeln. Dabei überkommt mich keine Wehmut. Es fällt mir nicht schwer
Öriszentperter zu verlassen. Der Ort liegt zwar in einem Nationalpark, ist aber deswegen nicht
automatisch eine Augenweite. Außerdem habe ich mehr von meinem Zimmer als von der Umgebung gesehen. Und auch wenn ich Ungarn nicht zu nahe treten möchte, aber den Grenzübertritt zu Slowenien merkt man sofort. Slowenien fühlt sich so vertraut und aufgeräumt an.
Egal. Die Schönheit Sloweniens kann ich die nächsten Stunden vorerst nur aus dem Zugabteil
heraus genießen. Und natürlich ist heute super Wetter.

Der Zug fährt pünktlich in Hodos ab. Da ich, außer aus dem Fenster zu schauen, nichts Spannendes
zu tun hab, texte ich mit einem Kumpel Niko aus Ljubljana. Dieser hatte mir mal gesagt, dass er mir
ein Bier ausgibt, falls ich jemals mit dem Rad durch Ljubljana fahren würde. Und jetzt schreibe ich
ihm das ich auf dem Weg bin. „habe deine Reise schon auf Instagram verfolgt. Können uns gern
heute Abend auf ein Bier treffen“ schrieb er just in dem Moment zurück. „Na klar, gern!“
antwortete ich mit einem Lächeln im Gesicht.
Die knapp fünf Stunden der Zugfahrt vergingen etwas zäh. Doch irgendwann stoppte der Zug dann
in der slowenischen Hauptstadt. Es ist kurz nach fünf am Nachmittag und ich habe noch Zeit die
Stadt etwas mit dem Rad zu erkunden, bevor ich mich später mit Niko auf ein Bier treffe.
Da ich nicht zum ersten Mal hier bin, weiß ich wo ich auch noch gutes veganes Essen bekomme. So
fahre ich direkt in die Altstadt, in der ein kleiner Teil Alternativ geprägt ist. Dort findet man
ausgezeichnete vegane Restaurants. Ich entscheide mich für Abi´s Falafel, einem türkischen Restaurant. Dort schmeckt es ausgezeichnet und gleichzeitig liegt es in dem Viertel, in dem ich mich mit Niko kurz darauf treffen möchte. Doch er macht es mir noch einfachen und kommt direkt zum Restaurant geradelt. Von dort aus machen wir uns gemeinsam auf zu einer nahegelegenen Kneipe, wo er mir das versprochene Bier ausgibt. Ich mag Niko und wir labern über Gott und die Welt. 

So nimmt der Abend seinen Lauf. Da es nicht bei einem Bier bleibt, wird das mit dem Zeltplatz im 30 Kilometer entfernten Skofia Loka heute wohl eher nichts mehr. Niko hat längst schon eine Einladung ausgesprochen. Ich könne gern auf seiner Couch schlafen. Und auch wenn er morgen Besuche bekäme, ich könne ruhig noch ein zwei Tage hier bleiben. Schließlich sei Regen vorhergesagt für die nächsten Tage. Wettervorhersagen sind für mich auf dieser Reise mittlerweile so etwas wie Sagen. Ein Teil ist wahr, aber eben nur ein Teil. Fakt ist, das ich für den heutigen Tag die Einladung gern annehme. Und so können wir noch eine ganze Weile länger, bis in die Nacht hinein sitzen bleiben, um noch lange zu sinnieren und ein, zwei weitere Kaltgetränke genießen. Erst irgendwann gegen 23:00 Uhr radeln wir zu seiner Wohnung. Gegen Mitternacht penne ich auf der Couch meines Gastgebers ein.

Am Morgen stehe ich mit Niko zusammen gegen acht auf. Er muss zur Arbeit, schiebt mir jedoch
einen Schlüssel über den Tisch. „In case you need....the weather is going to be bad in the evening. You know, you can stay here and if not, gimme the key back at punkrock holiday.“ sagt er dazu.
Danach verabschiedet er sich und geht zur Arbeit. Ich checke die Wetterapp nochmals. Jetzt hat sie
sich wieder aktualisiert, und sagt dasselbe wie Niko vorher. Ich beschließe Nikos Angebot anzunehmen, und entscheide mich dazu wenigstens einen Tagesausflug nach Skofia Loka zu machen. Morgen will ich dann weiterfahren nach Kranjska Gora. Meinen Zeltplatz storniere ich gleich noch am selben Morgen. Ich habe wirklich keine Lust im Starkregen zu zelten. Eine sehr weise Entscheidung, wie sich noch zeigen wird.
Ich entferne für den Tagesausflug ein paar Taschen von meinem Rad, und machen mich mit
leichtem Gepäck auf den Weg in die 30 Kilometer weiter nördlich liegende Stadt. Der Weg für mich
über eine Fernstraße hinaus ins ländliche Slowenien. Es wird zunehmend bergiger und am Horizont erkenne ich schon die Silhouetten der Berge des Triglav Nationalparks. Dort hin muss ich morgen strampeln. Aber darauf freue ich mich schon die ganze Zeit. Felder und kleine Dörfer ziehen vorüber und ich nähere mich immer mehr Skofia Loka. Die Stadt liegt an den Ausläufer kleiner Berge und über ihr thront eine Burg. Durchzogen wird die Stadt vom kleinen Fluss Poljanska Lora. Aufgrund der Regenfälle der letzten Tage und Wochen führt dieser schon einiges an Wasser. Aber nicht so viel, dass man ein drohendes Hochwasser in Betracht ziehen würde. Die kleine Stadt ist wunderschön und ich lasse mich am Marktplatz zum Mittagessen nieder.
Der versprochene Regen kündigt sich pünktlich zu meiner Pause, abermals in Form von Nieselregen an. Lässt aber nach einer Stunde wieder nach, so dass ich auch getrost wieder im Trockenen weiter radeln kann.

Ich möchte beim Rückweg nach Ljubljana eine andere Route fahren und entscheide mich über
Kranj, einer ähnlichen Kleinstadt wie Skofia Loka, zurück in die Hauptstadt zu fahren. Auf dem
Weg nach Kranj kann ich sehen wie die Berge in der Ferne in dunklen Regenwolken versinken.
Irgendwann kann ich sie gar nicht mehr sehen, da sie komplett von den Wolken eingehüllt sind. Ich
habe aber Glück und bleibe trocken. Über Feld- und Wiesenwege erreiche in eine Stunde später
Kranj. Doch die Stadt holt mich im Vergleich zu Skofia Loka, nicht ab. Ich mache nur eine kurze
Kaltgetränkpause und fahre dann weiter, zurück nach Ljubljana. Am späteren Nachmittag, nach 75
Kilometern Radtour bin ich zurück in der Hauptstadt. Ich fahre zu Nikos Wohnung, wo er, seine Freundin und der angekündigte Besuch bereits auf mich warten. Ich hatte ihm natürlich von unterwegs bereits Bescheid gegeben, das ich auf sein Angebot zurückkommen werde.
„No problem, stay as long as you want...“ sagte er erneut mit einem Augenzwinkern. Ziemlich nette
Geste. Vorallem als er mir von den Neuigkeiten erzählt. In den Bergen im Norden, die die ich
gesehen hatte, sei es laut Nachrichten zu Schlammlawinen und Hochwassern gekommen. Aber nichts Bedrohliches für die Straßen und Wege. Trotzdem beunruhigend und natürlich schrecklich
für die betroffenen Dörfer.
Für den Abend beschließen wir alle gemeinsam auszugehen. Irgendwo essen und danach in eine
Bar. Guter Plan. Und irgendwie doch besser als Zeltplatz schoss es mir durch den Kopf. Wir enden
alles zusammen in einer kleinen Brauerei im Stadtzentrum. Ein sehr angenehmer und vor allem
lustiger Abend. Gegen Mitternacht sind wir wieder zurück in Nikos Wohnung, wo wir noch bis zwei
in der Nacht sitzen und wild über das Weltgeschehen diskutierten.

Am nächsten Morgen werde ich von einem aufgeregten Niko mit den Worten „Jörg, look at this...“ geweckt. Er zeigt mir Bilder von einem völlig überflutetem Ort und erklärt mir, das es sich bei dem Ort um Skofia Loka handelt. Krass. Ich bin auf der Stelle hellwach. Ich sehe auf den Bildern und auch bei Instagram Videos eines völlig überfluteten Ortes, und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dies der Ort sein soll, an dem ich gestern noch gewesen bin. Mir läuft ein eiskalter Schauer über den Rücken. Nicht auszudenken was mit mir über Nacht auf dem Zeltplatz passiert wäre. Wahrscheinlich hätte es mich weggespült. Der Gedanke ist wirklich schräg. Wie glücklich ich in diesem Moment bin, kann ich gar nicht sagen. Da stimmt die Wetterapp gefühlt das erste Mal und rettet mich sozusagen das Leben. Kann das wahr sein. Doch die Berichte in sämtlichen Medien lassen keinen Zweifel, dass es sich bei dem Ort um Skofia Loka handelt. Auch viele andere Orte rings um Ljubljana sind betroffen. Eine wirklich erste Situation, die da binnen kürzester Zeit
entstanden ist.
Niko muss aufbrechen zur Arbeit. Ich sage ihm, dass ich versuchen möchte, evtl. mit dem Zug aus
der Stadt, in Richtung Norden zu gelangen. Er nickt zustimmend, schiebt mir jedoch gleichzeitig
einen Wohnungsschlüssel wieder in meine Richtung: „...just in case!“. Dankend nehme ich ihn und verlasse zusammen mit ihm das Haus. Ich will mich in der Stadt, beim Frühstück, über die aktuelle Zugverbindungssituation erkundigen. Schnell finde ich heraus, das einige der Zugverbindungen bereits gestrichen worden sind. Darunter natürlich auch meine. Es gibt Schienenersatzverkehr, jedoch bieten die Busse keine Möglichkeit der Fahrradmitnahme. Außerdem erfahre ich, dass auch mein Radweg, den ich nehmen müsste, unter Wasser steht. Shit! Meine einzige Möglichkeit aus der Stadt zu kommen, ist mein Kumpel Marcus.
Allerdings reist der erst heute Abend aus Graz an. Er kann mich also frühestens morgen abholen.
Hinzu kommt das ich immer wieder lese, das wenn der Regen weiter anhält, man über eine
Straßensperrung und eine Sperrung der Autobahn nach Norden nachdenkt. Jackpot. Gefangen in
Ljubljana.

Foto: DPA
Foto: DPA

Ich versuche gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Was bleibt mir auch anderes übrig. Ich
verbringe den kompletten Tag in der verregneten Altstadt von Ljubljana und checke alle
erdenklichen Internetseiten und Medien, um vielleicht doch noch eine andere Möglichkeit zu
finden, hier wegzukommen. Aber nix. Auch ein Anruf bei Marcus, und der Versuch ihn zu überreden mich heute noch abzuholen, scheitern. Er schafft es einfach nicht früher. So muss ich mich dem Schicksal ergeben und noch eine Nacht hier bleiben. Wo ich wohl jetzt wäre, wenn Niko mir nicht seine Couch angeboten hätte, schießt es mir durch den Kopf.
Eben jener sammelt mich am Nachmittag, nach seiner Arbeit, wieder in der Altstadt auf.
Gemeinsam verfolgen wir bei ihm daheim die angespannte Situation, die sich nahezu auf das
gesamte Land ausgebreitet hat. Außer auf den Nordwesten und Westen. Die Ecke in die ich muss.
Es ist eines der schlimmsten Hochwasser in der Geschichte Sloweniens. Zwei Drittel des Landes
sind betroffen. Und ich bin mittendrin.
Am Abend wird der Regen weniger und ich werde etwas entspannter. Auch Marcus ist sicher in
Kranjska Gora angekommen, und will mich morgen Vormittag abholen. Bleibt nur zu hoffen, dass
es keine Straßensperrungen gibt. Spät und etwas unruhig schlafe ich schließlich dann doch
irgendwann ein.

untere Fotos: DPA

Am nächsten Morgen regnet es nur leicht. Ein Blick in meine WhatsApp Nachrichten neutralisiert
meine schlimmsten Befürchtungen. Marcus ist soeben in Karnjska Gora losgefahren und wird ca.
11.00 Uhr bei mir sein. Es gibt glücklicherweise keine Sperrungen.
Niko hat bereits das Haus verlassen. Ich mache mir noch einen Kaffee und packe meine Sachen
zusammen, um alles wieder am Rad zu verstauen. Fertig gepackt verlasse ich die Wohnung und
warte draußen auf meinen Retter. Ich freue mich immer Marcus zu sehen, aber heute irgendwie
ganz besonders. Er nimmt den Weg extra auf sich, um mich hier rauszuholen. Dafür werde ich mich
gebührend revanchieren. Eine knappe halbe Stunde später biegt dann der sehnsüchtig erwartete
weiße Transporter in die Straße, in der ich stehe, ein. Schnell schmeiße ich das Rad ins Auto und
steige ein. Meine Freude ist echt riesig. Und auch wenn ich Niko unendlich dankbar bin, so war die
Situation für mich doch ziemlich nervenaufreibend. Nicht zu wissen, ob man wieder rauskommt aus
der Stadt hat mich etwas unentspannt sein lassen. Umso mehr fällt das alles jetzt von mir ab.
Marcus versteht mich.
Die Landstraße wurde am Morgen gesperrt, jedoch ließ man die Autobahn offen. Unterwegs sieht
man die Ausmaße des Hochwassers und kann nur erahnen, was es überall angerichtet hat. Ganze
Landstriche stehen komplett unter Wasser. In Jesenice verlassen wir die Autobahn. In der Stadt
sehen wir hunderte Touristen, welche an Bushaltestellen warten. Hier in Jesenice enden alle
Schienenersatzverkehrsbusse Richtung Norden. Alle Touristen, die mit Bahn in nördlicher Richtung
unterwegs sind, stranden in diesen Tage zwangsläufig hier und werden auf andere Busse aufgeteilt, um sie außer Land zu bringen. Eine völlig bizarre Situation.
Danach wird es ruhiger auf der Straße nach Kranjska Gora. Es wird bergiger und es hat aufgehört zu regnen. In Kranjska Gora scheint sogar die Sonne. Hier ist nichts von der Situation im Rest des Landes zu merken. Absolut nichts. Alles läuft als wäre es ganz normal. Touristen fahren Rad, wandern oder sitzen in den umliegenden Cafes.
Wir fahren zu unserer Unterkunft. Ich räume alles aus dem Auto und beziehe Quartier. Neben Marcus sind auch Andy, Elli und ihr Freund hier. Allerdings sind die irgendwo unterwegs. So mach ich es mir mit Marcus in der Küche der Pension gemütlich. Ich muss auf den ganzen Schreck erst einmal ein Kaltgetränk öffnen. Auch Marcus lässt sich nicht zweimal bitten. Dabei ist es gerade einmal 13:00 Uhr.

Wir planen die nächsten Tage und quatschen uns dabei komplett fest. Wir merken nicht wie die Zeit
vergeht. Erst als die drei anderen von ihrem Ausflug zurückkommen, merken wir das es bereits drei
Stunden und einige Kaltgetränke später ist. Und bevor bei mir der komplette Verfall einsetzt,
beschließe ich wenigstens vorher nochmal einkaufen zu gehen. Gesagt, getan. 30 Minuten später sitze ich allerdings schon wieder in der Küche unserer Unterkunft, Marcus gegenüber, der mir freudestrahlend ein Bier reicht. Somit ist der Ausgang des Abends fast schon vorprogrammiert.
Aber nach der Situation in Ljubljana tut das hier, zusammen mit Freunden sein, einfach gut.
Wie der Abend endet kann sich sicher jeder denke. Deshalb gehe ich nicht weiter darauf ein.

 

Am Morgen zeigt sich Kranjska Gora von seiner schönsten Seite. Das Wetter ist bombastisch. Klar,
dass es ich mich nach draußen zieht. Nach dem Frühstück entferne ich alle unnützen Taschen von
meinem Rad, um eine kleine Tour in die Umgebung zu machen. Ich kenne den Großteil hier schon,
also soll es eine reine Genussfahrt werden. Ein bisschen Sightseeing, gepaart mit Kaltgetränken und gutem Essen unterwegs. Irgendwo auf dem Weg will ich mich dann mit den anderen treffen. Meine kleine Tour führt mich zuerst zum Wahrzeichen der Kleinstadt, eine Geißbockstatue, welche an einem malerischen, türkisfarbenen See steht. Klar, ein ziemlicher Touristenmagnet, aber trotzdem schön. Auch Marcus und Andy sind mit dem Auto hier hergekommen. Und so lassen wir uns jetzt schon auf ein Kaltgetränk nieder. Der perfekte Ort, um sich festzusetzen. 

Doch bevor das passiert, schwinge ich mich lieber wieder auf meinen Drahtesel und fahre dem Radweg folgend Richtung Planica, dem Skisprungzentrum Sloweniens. Nach ca. 15 Kilometern biegt der Radweg scharf links ab. Ich jedoch baue für mich noch einen kleinen „Schlenker“ ein, und fahre geradeaus weiter. Ich passiere die italienische Grenze. Mein Ziel ist der erste Ort in Italien. Einfach nur um einen italienischen Espresso zu trinken. Danach fahre ich den Radweg entlang zurück, und biege jetzt nach Planica ab, um mich dort erneut mit Marcus und Andy zu treffen. Bei schönstem Sonnenschein erreiche ich den Ort mit seiner imposanten Schanzenanlage. Erinnerungen kommen
hoch, wie ich als Kind auch Skispringer werden wollte, jedoch regelmäßig eine Bolzen in der Hose
hatte, beim Blick von der Schanze hinunter. Und da ginge es gerade mal um die 20 Meter Schanze,
die vor mir lag. Mein Endgegner damals. Ich ziehe im Vorbeifahren an der Anlage, vor meinem inneren Auge, vor jedem Skispringer den Hut. Erst recht vor denen, die sich der hier stehenden 200 Meter Flugschanze hinunterstürzen. Chapeau. Ich gönne mir da lieber ein Kaltgetränk mit Andy und Marcus, am Fuße eben jener Schanze. Zwei Bier später sitze ich wieder auf dem Rad und befinde mich auf dem Rückweg in die Unterkunft. Nach dem Duschen und einer kurzen Siesta, begebe ich mich auf die Jagd nach etwas essbarem. Die anderen wollen in ein Restaurant, dessen Angebot aus Fleisch, Fleisch und noch mehr Fleisch besteht. Da bin ich raus. Außerdem möchte ich die Zeit nutzen, um die Bilder vom „Back to Future“ Festival zu bearbeiten und zu versenden. Ich finde glücklicher Weise eine Pizzeria mit einer veganen Pizza auf der Karte. Perfekt.
Kurze Zeit später sitze ich frisch gestärkt in meinem „Homeoffice“. Ich habe knapp drei Stunden
Zeit für die Bilder, bevor Tobi und Gabu von SkateAid bei uns sein werden. In diesem Jahr habe ich SkateAid einen Stand beim Punkrock Holiday organisiert. Deshalb sind meine beiden Freunde, mit denen ich noch vor drei Woche im Nirgendwo im Norden Ugandas war (siehe Reisebericht ;)), jetzt
hier. Für heute habe ich sie zu uns eingeladen. Morgen wollen wir dann alle zusammen nach Tolmin zum diesjährigen Punkrock Holiday anreisen. Ich werde die Strecke wohl allerdings mit dem Rad
zurücklegen.
Mit den Bildern komme ich gut voran, bis die anderen vom Essen wiederkommen. Jedoch habe ich den Großteil fertig und kann diesen verschicken. Fertig. Bier O´ Clock again. Just in diesem Moment melden sich auch Tobi und Gabu an der Tür unserer Pension. Perfektes Timing. Jetzt kann der Abend seinen Lauf nehmen. Und es wird ein wirklich super lustiger Abend.

6:15 schrillt mein Wecker. Ich lösche den Alarm und bewege mich leise aus dem Bett, um Andy, der
im selben Zimmer schläft, nicht zu wecken. Ich mache mir einen Kaffee und bringe eine
Lightversion meiner Taschen an meinem Rad an. Kurz vor sieben schleiche ich mich mit meinem
Rad aus der Pension. Grund für den zeitigen Start ist der Verkehr auf dem Vrsic Pass.
Erfahrungsgemäß wird dieser tagsüber recht hoch frequentiert von den Touristen. Der Pass führt
hinauf auf 1611m und ist damit Sloweniens höchster Pass. Unterwegs durchfährt man 50
Haarnadelkurven und unzählige weitere „normale“ Kurven. Ein Teil der Straße besteht dabei aus
groben Kopfsteinpflaster. Als ob die 990hm allein nicht reichen würden.
So früh loszufahren erweist sich als sehr gute Entscheidung. Die Straße ist nahezu leer. Jedoch
merke ich schon auf den ersten Anstiegen meine diesjährige, eher mäßige Form. Ich muss teilweise
gut durch schnaufen und höre mich bestimmt an wie ein Zug der sich einen Berg hochschraubt.
Egal, ich habe ja Zeit. Trotzdem wünsche ich mir in dem Moment ein MTB mit einer entspannteren
Übersetzung. Trotz der Anstrengung werde ich allerdings zwischendurch immer wieder von der
Aussicht und der Lichtstimmung am Morgen belohnt. So schraube ich mich Serpentine um
Serpentine weiter nach oben. Beeindruckend und zum Greifen nah, türmt sich vor mir das Massiv
des Golicia auf. Dabei passiere ich eine freilaufende Kuhherde. Wie schön und irgendwie surreal.
Immer weiter geht es hinauf und die Bäume werden dabei lichter und ich erhalte immer wieder
fantastische Ausblicke auf die umliegenden Berge und Täler. Allerdings zwingen mich die teilweise
16- 18 %igen Anstiege immer mal wieder zu stoppen oder sogar kurze Passagen zu schieben. Ich
finde das auch keine Schande. Ich so schöner Umgebung schiebt man doch gern.

Ca. 1,5 Stunden später hat die Quälerei dann ein Ende, vorerst. Ich bin auf dem höchsten Punkt des
Passes angekommen. Von nun an geht es erst einmal längere Zeit bergab. 25 Serpentine lassen mich hinunter ins Tal rauschen. Die Ausblicke dabei sind einfach atemberaubend. Dopamin schießt durch meinen Körper. Vergessen sind die Strapazen des Aufstiegs. Vergessen sind 1000 Kilometer bis hierher, die Regentage, die Mandelentzündung und die ganze Anstrengung. In diesem Moment bin
ich happy und genieße es dem Ziel so nahe zu sein.
Doch schnell holt mich die Realität bzw. die Kälte unten im Tal ein. Ich muss stoppen und mir was
überziehen. Hier im Tal sind gerade einmal 4 Grad. Und es ist Juli! Erderwärmung? Hier nicht.
Wärmer eingepackt rolle ich ins Soca Tal. Links neben mir taucht immer wieder der gleichnamige
Fluss auf, der aufgrund der Regenfälle der letzten Tage, ziemlich viel Wasser führt. Wie eine
„wickblau-farbene“ Schlange bahnt er sich seinen Weg durch das malerische Tal.
Auf der Straße nach Bovec muss ich die letzten hügligen Abschnitte meiner Reise meistern. Und
auch der zunehmende Autoverkehr fängt an zu nerven. Aber bis Bovec, dem Rafting-Mekka
Sloweniens, muss es noch gehen. Danach justiere ich neu.

Gegen Mittag erreiche ich Bovec und lasse mich zum Mittagessen nieder. Mir hängt die Zeit doch
etwas im Nacken. Ich will 14:00 spätestens in Tolmin sein, und mich mit dem Mediateam vom
Punkrock Holiday treffen. Deshalb fasse ich den Entschluss mich von den anderen hier einsammeln
zu lassen, und mir die letzten 30 Kilometer zu sparen. Ist ja schließlich kein Wettkampf.
40 Minuten später treffen alle in Bovec ein und ich springe in Gabus Campervan. Weitere 45 Minuten erreichen wir Tolmin und checken auf dem Gelände des Punkrock Holiday ein.

Wie auch bei den Festivals vorher, möchte ich nicht näher auf jegliche Einzelheiten eingehen. Nur
soviel. Es war wie es immer ist beim Punkrock Holiday. Super schön, nette Leute, keinen Ärger, ein
bis zwei Kaltgetränke und sehr viel Lachen.

Erwähnen möchte ich allerdings für alle „Träumer“, die denken fotografieren bei einem fünftägigen Festival ist easy, das das nicht komplett stimmt. Man arbeitet ab Mittag bis Nachts um eins, so gut wie durchgehend. Dabei versucht man überall die
Stimmung einzufangen. Am Zeltplatz, an der Beachstage, Mainstage und auf dem gesamten
Gelände. Von eins bis zwei in der Nacht, selektiert man die Fotos des Tages. Danach ist Aftershow.
Man ist ja nicht zum Vergnügen hier, oder eben doch. Gegen Vier am Morgen läuft man dann, mehr
oder weniger geradeaus, zur Unterkunft im Ort. Gegen neun, halb zehn klingelt der Wecker. Kurz
Brötchen holen, dann ran an den Rechner, die selektierten Bilder bearbeiten. Diese müssen bis
11:30 Uhr verschickt sein, damit die Social Media Abteilung mit tagesaktuellen Bilder versorgt ist.
Danach geht es an der Beachstage mit der ersten Band schon wieder in den nächsten Tag. Dieser
Ablauf wiederholt sich dann an den folgenden vier Tagen erneut. Ob das stressig ist? Ja,
vollkommen! Ob das Spaß macht? Ja, mit diesem Team schon. Sonst würde ich nicht jedes Jahr
wiederkommen. Und erst recht nicht jedes Jahr mit dem Fahrrad!

 

Ich liebe genau das was ich in diesen Wochen erleben darf. Und, dass jedes Jahr auf´s neue.

 

Danke

 

 

Ein paar Eindrücke vom Punkrock Holiday.... die gesamte Galerie findet ihr hier.

Foto: Francesco Dose
Foto: Francesco Dose

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